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germanischer Dichter zu sein gewagt
hat. — — Uns liegt eben viel mehr an
intimen Wirkungen, und während der
griechische Dichter, als echter Demokrat,
an das ganze Volk dachte und dem ganzen
Volke zuliebe schreiben musste, wenden sich
unsere großen Genies unwillkürlich immer
wieder an die geistige Aristokratie. Ebenso
falsch ist aber jeder Satz, den Heidenstam
über das Volksthümliche ausspricht. Er
nennt es »dünn und leicht verbraucht«.
Nein, es ist nicht dünn, sondern es ist
der feste Boden, in welchem alles Geniale
wurzelt, und es ist nicht leicht verbraucht,
sondern bleibt ewig jung und kann nie
durch Gebrauch erschöpft werden. Ein
großer Vorzug der hellenischen Kunst war
gerade, dass sie in einem breiteren Zu-
sammenhang mit dem Volke stand, als dies
bei uns der Fall ist; infolgedessen strömte
der nährende Saft aller echten Originalität
in größeren Mengen hinauf bis in die
Krone des einzelnen Baumes. Der Dichter
glich dort dem breitästigen, fruchtbeladenen
Ölbaum seines Vaterlandes, ihm zu Füßen
Korn, Reben und Rosen, wogegen die
unsrigen wie stolze Fichten gern auf ab-
gelegenen Bergen, unter Haidekraut, hoch
gen Himmel wachsen. Nun kann aber
Kunst beides nicht entbehren, weder den
reichen Nährboden der Allgemeinheit, noch
die kühne Selbstherrlichkeit der außer-
ordentlichen Person. Daher ein gewisses
Hin und Her, dessen tiefe Berechtigung
eine so seichte Ästhetik nie wird begreifen
können. Ein letztes Beispiel: was soll
man von dem Urtheil eines Mannes er-
warten, der den Humor — im Gegensatz
zum »aristokratischen« Witz — einen
»Plebejer« schimpft und von ihm folgende
elegante Definition gibt: »Der Humor ist
ein Homeros, in einer nordeuropäischen
Gaststube geboren und in einem Bierfass
gewachsen, der in der Taufe die seltene
Bestimmung erhielt, aus reiner Güte alles
in nichts aufzulösen?« Der Humor ist —
wie Schopenhauer mit Recht hervorge-
hoben hat — erhaben; er ist die Reaction
eines durch und durch aristokratischen,
persönlich empfindenden Geistes gegen den
umgebenden Demos und gegen das all-
gemein Angenommene. Deswegen ist auch
nie ein echter Humorist populär gewesen;
er redet ja nur zu einer geistigen Elite.
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Sehr gescheite Leute — zu denen
Heidenstam gewiss gehört — können ein
Capitel aus Sternes »Tristram« lesen und
keine Ahnung haben, wovon die Rede
war; es handelt sich eben hier um einen
angeborenen Esoterismus. Niemand wird
mir widersprechen, wenn ich behaupte,
dass Georg Christoph Lichtenberg zu den
wenigst gekannten Schriftstellern Deutsch-
lands gehört; die Geistesrichtung dieses
exquisiten Humoristen ist eben viel zu
frei, sie verlässt das Hergebrachte in zu
rücksichtsloser Weise, als dass sie in
breiteren Schichten Verständnis finden
könnte. Und von den Malern gilt das-
selbe. Die Bilder eines Ostade und eines
Brower, auf die der Autor sehr schlecht
zu sprechen ist, gefallen nie dem Volke
und dem Philister, das kann man in jeder
Gallerie bemerken, sondern nur dem Manne
von ausgebildetem ästhetischen Gefühle
und malerischer Veranlagung. Heidenstam
lässt Cicero sagen: »Der Humor ist die
Versöhnung der Barbaren mit ihrer eigenen
Hässlichkeit.« O nein, das hätte Cicero
nicht gesagt! Denn war er auch das
Gegentheil eines schöpferischen Geistes,
so war er doch ein sehr gescheiter Mann,
und er hätte gewiss gern sein Landhaus
bei Formiae hergegeben, um nur ein
Quentchen von dem Humor zu besitzen
der ihm abgieng. Vielleicht hätte er auch
Heidenstam davor gewarnt, dass es un-
freiwillige Humoristen gibt — und dass
er sich hüten solle, zu diesen gezählt zu
werden.
Ein Wort noch über den Stil Verner
von Heidenstams. Über die Sprache kann
man nach einer Übersetzung nicht urtheilen,
wohl aber über die allgemeinen Eigen-
schaften der Formgebung, sowie über die
Wahl der Bilder u. s. w. Und da muss
man bedauern, dass die Liebe zum Helle-
nismus so wenig gefruchtet hat. Wie un-
befriedigend die Gestaltung als Ganzes
ist, wurde schon früher hervorgehoben;
das Einzelne ist nicht besser. Ich habe
selten einen so lottrigen, incorrecten Stil
gelesen; ja in einem Augenblick rührender
Selbsterkenntnis gesteht der Verfasser,
seine Broschüre könne als »Probestück
einer manierierten schlechten Prosa
dienen.« Diese eine Wahrheit wird stich-
halten. Man höre diese Probe des guten
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