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seine Augen, deren Feuer der Tod nur
halb verlöschen konnte, anzeigten — nur
soviel Theil, als Todte an der lauten
Munterkeit Derer nehmen, die bald sterben
sollen. Aber obgleich ich, Oinos, fühlte,
dass die Augen des Abgeschiedenen auf
mir ruhten, zwang ich mich, ihren
bitteren Ausdruck nicht zu bemerken und
starrte beharrlich in die Tiefen des Eben-
holzspiegels und sang mit lauter, voller
Stimme die Lieder des Sohnes von Teios.
Aber nach und nach hörten meine Lieder
auf, und ihr Echo verrollte in den düsteren
Draperien des Zimmers, wurde schwach
und undeutlich und schwand ganz hin.
Und seht! aus jenen düsteren Draperien,
in denen die Töne des Liedes verschwun-
den waren, kam ein dunkler, undeutlicher
Schatten hervor — ein Schatten, wie ihn
der Mond, wenn er niedrig am Himmel
steht, aus der Gestalt des Menschen
bildet; doch war es nicht der Schatten
eines Menschen, und nicht der eines
Gottes, noch eines bekannten Dings.
Und er schwankte eine Weile zwischen
den Draperien des Zimmers und blieb
endlich vor unseren Augen auf der Thür
von Kupfer stehen. Aber der Schatten
war undeutlich und formlos und unbe-
stimmt, es war nicht der Schatten eines
Mannes, noch eines Gottes — weder
eines Gottes von Griechenland, noch von
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Chaldäa, noch eines egyptischen Gottes.
Und der Schatten blieb auf der Kupfer-
thür unter dem Bogen ihres Frieses stehen
und rührte sich nicht und sprach kein
Wort, sondern stand da und blieb stehen.
Und die Thür, auf der der Schatten ruhte,
befand sich, wenn ich mich nicht täusche,
zu Füßen des jungen, leichentuchumhüllten
Zoilos. Aber wir, die sieben dort Ver-
sammelten, die den Schatten aus den
Draperien kommen gesehen, wagten lange
nicht, ihn anzublicken, sondern schlugen
unsere Augen nieder und starrten beharr-
lich in die Tiefe des Ebenholzspiegels.
Und endlich sagte ich, Oinos, einige leise
Worte und fragte den Schatten nach
seiner Heimat und seinem Namen. Und
er antwortete: »Ich bin der SCHATTEN
und wohne nahe den Katakomben von
Ptolemaïs und dicht bei den nebelhaften
Ebenen Elysions, die an den trüben
Strom des Charon grenzen.« Und da
fuhren wir, die Sieben, voll Schreck von
unseren Sitzen auf und standen, schau-
dernd, denn die Stimme des Schattens
war nicht die Stimme eines Wesens,
sondern die Stimme vieler, und ihr Ton-
fall, der von Silbe zu Silbe wechselte,
schlug düster an unser Ohr, wie der wohl-
bekannte, unvergessene Stimmklang von
vielen tausend abgeschiedenen Freunden.*
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