Wiener Rundschau: Jg. 4, Nr. 8, S. 207

O grave where is thy Victory Spiritualistische Bewegung, Die* Theosophische Zeitschriften (Toorop, Jan)

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Wiener Rundschau: Jg. 4, Nr. 8, S. 207

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RUNDSCHAU.

werden. Man denke eben mehr an die Ster-
benden als an die Anderen; die sehr zahlreichen
Nicht-Coincidenzen übersehe man, die vage
Hallucination aber werde umgedeutet und durch
den nachträglichen Todesfall corrigiert; Wach-
Hallucinationen kämen fast gar nicht vor, meist
seien es traumhafte Gesichter, von denen
berichtet wird. Im übrigen werde die Gleich-
zeitigkeit zwischen Tod und Hallucination
(Erscheinung des Sterbenden) nicht so genau
genommen; auch sei die Wahrscheinlichkeits-
Rechnung auf psychische Phänomene wohl
nicht recht anwendbar; die Möglichkeit ihrer
Ursachen scheine unendlich, und diese Ursachen
lägen im Innern der Seele, theils bewusst,
theils unbewusst, verborgen. — —

Verborgen? Also unauffindbar? Ein exactes
Ignorabimus? Wir werden auf dieses inter-
essante Thema, das von sehr vielen Occultisten
weit unprofessoraler, aber auch tiefgründiger
behandelt wurde, gelegentlich des ausführlichen
zurückkommen.

In einer Studie über das Unzweck-
mäßige der Todesstrafe (»Theosophischer
Wegweiser«, II, 6) — weist der Verf. (Herr
Edwin Böhme) nach, dass sich jegliche Hin-
richtung vom theosophischen Standpunkte aus
als durchaus schädlicher und verderblicher
Unfug qualificiert. Wenn die Juristen wüssten,
was durch die Anwendung der Todesstrafe
bewirkt wird, würden sie sich hüten, Ver-
brecher hinzurichten. Die Anschauung, dass
durch gewaltsame Tödtung die Unschädlich-
machung des Delinquenten erreicht werde,

entspringt der Ignoranz unserer Criminalisten
und ihrer Unfähigkeit, die Bewusstseins-
zustände der Seele nach dem Ver-
lassen des Körpers
zu beurtheilen. Die
Zerstörung der physischen Hülle — lehrt die
occulte Wissenschaft — ändert an dem Wesen
ihres psychischen Bewohners nichts. Der hin-
gerichtete Mörder lebt, wie der Selbstmörder,
als erdgebundene Seele weiter, bis die ihm zu-
kommende physische Lebens-Energie erschöpft
ist. Das, was den Menschen zum Handeln be-
wegt, kann nicht getödtet werden. Der aus
dem menschlichen Körper durch Hinrichtung
hinausgetriebene böse Wille des Übelthäters
wird dadurch nur noch gemeinschäd-
licher gemacht, weil er wieder andere Per-
sonen beeinflusst und sie zu ähnlichen Un-
thaten treibt. Die Ungeheuerlichkeit der Todes-
strafe zeigt, wie sehr unserer Culturwelt die
Kenntnis der theosophischen Weltanschauung
noththut. Ähnlich spricht sich Franz Hart-
mann aus (»Theosophie in China. Betrach-
tungen über das Tao-Teh-King«), Im 74. Capitel
des eben citierten chinesischen Werkes von
Laotse (»Der Weg, die Wahrheit und das
Licht«) heißt es über die Todesstrafe: »Wenn
man den Tod nicht fürchtet, was könnte da
die Todesstrafe als furchterweckendes Mittel
bezwecken? Wenn die Leute in beständiger
Todesfurcht leben würden, und ich alle Übel-
thäter aufgreifen und tödten könnte, würde
ich wagen, es zu thun? Wir haben beständig
einen großen Henker in unserer Mitte. Wer
sich dessen Geschäft anmaßt, ist wie einer,
der dem großen Baumeister ins Handwerk
pfuscht. Ein solcher Mensch schneidet sich in
der Regel selbst in die Hand.«

THEOSOPHISCHE ZEITSCHRIFTEN.

Der „Nederlandsche Okkultistenkring
gibt seit Jänner d. J. die Zeitschrift „Psycho-
logische Bladen
“ heraus (gewijd aan de Studie
van Okkultisme, Psychische Geneeswijze etc.
),
die von Fr. E. van Hennekeler und M. R. Bruck
im Haag redigiert wird. Auch Frankreich hat
kürzlich eine neue spiritualistische Zeitschrift
erhalten, das „Echo de l’Au-delà et d’Ici-
bas
“, dessen Leiter A. Varney, P. Géburah und
P. Ourdeck (Paris) sind. Bei dieser Gelegen-
heit seien hier die namhaftesten jener Journale
angeführt, die sich neben den zahllosen theo-
sophischen etc. Vereinigungen in der alten und
neuen Welt mit den Forschungsgebieten der
occulten Wissenschaft befassen. Aus ihrer großen
Anzahl (unsere Aufzählung beschränkt sich nur
auf die wichtigsten dieser Blätter) mag die
Verbreitung und Tragweite einer geistigen Be-
wegung ersehen werden, die sich die Ergrün-
dung der tiefsten und schwierigsten Probleme
zur Aufgabe macht und durch die billigen An-
griffe Unwissender natürlich nicht tangiert
werden kann.

A. In DEUTSCHER Sprache erscheinen:
Lotusblüthen (Dr. med. Franz Hart-
mann
), Florenz und Leipzig.

Neue Metaphysische Rundschau
(Paul Zillmann), Berlin.

Theosophischer Wegweiser (Ar-
thur Weber und Edwin Böhme), Leipzig.

Die Übersinnliche Welt (Max
Rahn), Berlin und Leipzig.

Theosophisches Leben (Paul
Raatz), Berlin.

Psychische Studien (Prof. Dr.
Maier), (Gegründet von Staatsrath
Aksakow), Tübingen und Leipzig.

Mittheilungen des wissenschaft-
lichen Vereins für Occultismus
in Wien
(Robert Hielle), Wien.

Wissenschaftliche Zeitschrift für
Xenologie (Dr. med. Ferdinand Maack),
Hamburg.

Blätter für Lebensmagnetismus
(Paul Schröder), Leipzig.

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 4, Nr. 8, S. 207, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-04-08_n0207.html)