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Seelen nach Wiederverkörperung streben,
so entscheidet hiebei doch das Gesetz des
Karma, und es ist nicht immer für jeden
Samen der geeignete Boden vorhanden.
Ferner ist es klar, dass die sich incar-
nierende Seele einen bestimmten männ-
lichen oder weiblichen Charakter hat. Dass
sie aber unter gewöhnlichen Umständen
keinen Einfluss auf das Geschlecht des
Kindes auszuüben vermag, darauf weist
der Umstand hin, dass es soviele geborene
Mannweiber und weibische Männer, Urninge
und Tribaden gibt.
Nicht die Erschaffung der Seele, wohl
aber die Erzeugung der Form, in welcher
sich die Seele verkörpern soll, ist Sache
der Eltern, und es ist leicht einzusehen,
dass, wenn dieselben sich der ihnen inne-
wohnenden Kräfte völlig bewusst wären
und dieselben beherrschen und leiten
könnten, es auch in ihrer Macht sein
müsste, nach Belieben männliche oder
weibliche Kinder zu erzeugen. Nun sind
wir aber auf einem Standpunkte der
menschlichen Evolution angelangt, auf
welchem wir nur wenig Kenntnis der
uns innewohnenden Kräfte und wenig
Herrschaft über dieselben besitzen, vielmehr
von den in uns wirkenden Kräften be-
herrscht weiden. Unser Wille ist nicht
frei, sondern wird von unseren Begierden
geleitet, und unsere Vorstellung oder Ge-
danken hängen weniger von unserem Wollen
ab, als vielmehr von den Eindrücken, die
wir empfangen. Diese zwei Kräfte: Wille
und Vorstellung sind aber die aller Formen-
bildung und folglich auch der Zeugung
und Geschlechtsbildung zugrunde liegenden
Kräfte. Der Wille gibt die Substanz und
der Gedanke die Form; soll aber der
Wille kräftig wirken, so muss er aus
dem Herzen kommen und nicht ein Pro-
duct der Phantasie sein.
Hiemit kommen wir nun wieder auf
die Lehre von Theophrastus Paracelsus
zurück, welche aber wohl nur von den-
jenigen völlig begriffen werden wird,
welche sich eine genügende Vorstellung
von der noch so wenig bekannten Macht
des Willens und Gedankens machen
können. Die eigentliche Zeugung ist ein
seelischer Vorgang; der physiologische
Theil derselben liefert nur das Material
für die Verkörperung. Wenn ein Mann
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ganz von Liebe zum Weibe erfüllt ist,
so dass er gleichsam in ihr aufgeht und
nichts anderes will und denkt als das ihn
erfüllende weibliche Ideal, so ist voraus-
zusehen, dass das Resultat der Zeugung
ein Kind weiblichen Geschlechts sein
wird. Ist dagegen die Liebe der Frau
und ihre Vorstellung kräftiger, so ist das
Resultat umgekehrt. Aus diesem Grunde
wird es in orientalischen Ländern auch
immer der Frau als ein Beweis ihrer
vorzüglichen Liebe angerechnet, wenn sie
männliche Kinder zur Welt bringt.
Eine wissenschaftliche Erklärung hiefür
finden wir in der indischen Philosophie.
Nach den Erklärungen des Weisen San-
karacharya, der vor circa 3000 Jahren
gelebt hat, nimmt die Substanz des Ge-
müthes (Chittà) diejenigen Formen an,
welche die Vorstellung in ihm schafft.
Somit ringt gleichsam das im Gemüthe
der Frau entstandene Bild des Mannes mit
dem im Gemüthe des Mannes entstandenen
Bilde der Frau, und es kommt nur darauf
an, welches von den beiden Bildern (welche
Paracelsus als »Samen« bezeichnet) das
stärkere ist. Ob eine stärkere Ernährung
einen Menschen befähigt, mehr mit dem
Herzen zu lieben, ist zweifelhaft. Wäre
es so, so würde es nöthig sein, die Frau
gut zu ernähren und den Mann hungern
zu lassen, wenn männliche Kinder ge-
wünscht werden. Es wird behauptet, dass
die Kaiserin von Russland das umgekehrte,
ihr von einem Wiener Arzte empfohlene
System befolgte, und sie brachte richtig
statt des gewünschten Knaben ein Mädchen
zur Welt.
Die Theorie von Paracelsus findet aber
auch durch alle bisher bekannt gewordenen
Thatsachen ihre Bestätigung und wird in
England und Amerika schon seit vielen
Jahren zur Viehzucht angewendet. Es ist
bekannt, dass nach großen Kriegen, in
denen viele Männer zugrunde gehen, die
Zahl männlicher Geburten bedeutend zu-
nimmt. Es lässt sich vielleicht annehmen,
dass das Gesetz der Reincarnation dabei
eine Rolle spielt; aber noch wahrschein-
licher ist es, dass durch das allgemein
gefühlte Bedürfnis nach männlichen Wesen
das männliche Ideal höher zu stehen
kommt als das weibliche, und dass dies
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