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»IL FUOCO«. — Die mannigfachen
und oft unverhohlenen Ausdrücke der Ent-
rüstung, welche d’Annunzio von fremder
Seite, wie von seinen eigenen Landsleuten,
nach der Veröffentlichung seines »Fuoco«
erfuhr, haben ihn zu einer Vertheidigungs-
rede veranlasst, die kürzlich im »Figaro«
unter dem Titel: »La pureté du Feu« erschien.
Diese Vertheidigungsrede bringt uns inso-
ferne nichts Neues, als uns ja d’Annunzio
in genanntem Buche seine geheimsten
Triebfedern und intimsten Gedanken mit
so rückhaltsloser Bereitwilligkeit erzählt,
dass wir alle auf das genaueste mit ihm
bekannt sind, und auch darüber nie ein
Zweifel in uns aufkam, dass er selbst von
der Tüchtigkeit, Größe und Noblesse seines
Werkes überzeugt sei. Sonst hätte er es
wohl nicht geschrieben; und es lohnt sich
wohl nicht, von diesem Gesichtspunkt aus,
den fragwürdigen Roman in Betrachtung
zu ziehen. Auch überlasse ich es anderen,
die poetischen Vorzüge dieses Buches zu
besprechen, umsomehr, als dies ohne
Zweifel vielerorts auf würdige Weise
geschehen wird. Das schönste und getreueste
Bild Venedigs malt uns d’Annunzios
Feder. Sein fast schmerzliches Nach-Em-
pfinden aller Abtönungen einer prunkenden
herbstlichen Atmosphäre ist ergreifend
genug! Wenn er daher auf dem rein
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lyrischen Standpunkt verbliebe, so würden
auch wir Deutsche diesem großen Land-
schaftsmaler und Poeten ungetheilte Be-
wunderung zollen. Allein er tritt dieses-
mal mit den nur zu deutlichen Ansprüchen
eines allgewaltigen Genies, Denkers und
Reformators vor uns auf, und vom
philosophischen Standpunkt, den sein
Werk vor allem anstrebt, sei es denn
auch hier betrachtet: Wenn d’Annunzio
sich ohne Scheu mit den Größten und
Edelsten misst, die für die Menschheit
lebten und von denen die Menschheit
zehrt, — er, der in seinem »Ich« so er-
bärmlich befangen bleibt, — so erregen
seine aus der Luft gegriffenen Anmaßungen,
obwohl wir sie keinen Augenblick ernst
nehmen, dennoch unsere Entrüstung und
unsere Rüge, weil seine Ausschreitungen
Gebiete verletzen, die weder sein Erb- noch
Antheil sind, weil er Annäherungen macht,
deren Unziemlichkeit ihm entgeht.
Unsere großen Meister haben stets die
tiefste Bewunderung für ihre großen Vor-
gänger oder Genossen an den Tag gelegt;
ja, sie liebten es, Formen zu bewahren,
wie sie Monarchen unter sich aufrecht-
halten. Ich brauche nur an die Verehrung
Goethes für Shakespeare, an die Wagners
für Mozart und Beethoven zu erinnern.
Das Bewusstsein des eigenen Wertes und
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