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hohe Thaten von ihnen zu verlangen. Auch
das Christenthum hat anfangs Unterschiede
gemacht. Aber mit der Zeit ist es immer
exoterischer geworden und hat einen Durch-
schnitt gezogen — naturgemäß nach unten.
So ist das Niveau der geistigen Auffassung in
Europa bedenklich herabgedrückt worden,
während es im Orient zu allen Zeiten große
Denker gegeben hat, die so hoch über uns stehen,
dass wir sie fast nicht mehr verstehen. —
Unsere ganze Metaphysik ist kindisch im
Vergleich zur indischen. Die katholische Theo-
logie, die mit bewusster Absicht den veralteten
realistischen Kleinkinderstandpunkt festhält, hat
es dahin gebracht, dass in ihrem Machtbereiche
aller höhere Geistesschwung erlahmte und
die katholischen Völker in geistiger Hinsicht
passive Völker wurden, die in thörichter Ver-
blendung nicht einmal das Licht dort borgen
wollen, wo es strahlt, vielmehr noch glauben,
man müsse bei ihnen Anlehen machen. Wo der
Gläubige nicht mehr weiter kann — und das
tritt bei dem heutigen System naturgemäß bald
ein — verdeckt er das ihm unbekannte X durch
Schlagworte, als da sind: »Gott«, »Geist«,
»Teufel«, »Gnade« u. s. w. In der Theosophie
aber gibt es nichts Unbekanntes. Man kann alles
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erkennen, wenn man geistig heranzureifen
weiß. Nicht Worte, nicht Autorität, nicht blinde
Unterwerfung spielen ihre verdummende Rolle.
Ein Wort kann man verschieden auffassen;
es sagt den Menschen, die seine Bedeutung
nicht innerlich erlebt haben, gar nichts. Der
Katholik aber täuscht sich und andere, indem er
bestimmte Worte äußerlich als gegeben an-
nimmt und an sie glaubt, weil man es ihm
gesagt hat. — Wenn ein Heide sittlich lebt,
wird auch das Licht, das jeden Menschen er-
leuchtet, der in die Welt kommt, heller; dazu
sind weder Dogmen noch Priester nöthig. Wie
weit es aber Einer im geistigen Leben bringt,
das hängt von seinem Karma ab. Heilige
werden geboren. Nicht die Laune eines außer-
weltlichen Gottes schafft die Heiligen durch
seine »Gnade«, sondern wer in Tugenden ge-
lebt hat, dem wird bei seiner nächsten Geburt
eine größere geistige Kraft als Mitgift zuge-
legt. Solche außerordentlich begabte Menschen
findet man in allen Religionen. Auf ihnen
beruht der Fortschritt der Menschheit. Auf
ihrem Einfluss beruht die Zukunft der Theo-
sophie, die Erkenntnis, dass wir alle Söhne
Gottes und also Brüder sind.
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