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Die MATERIELLE STELLUNG der
DEUTSCHEN DICHTER und SCHRIFT-
STELLER. Im Anschluss an Tony Kellens
Aufsätze (»Nord und Süd«, Nr. 277 und 278),
von denen im vorigen Hefte der »W. R.« die
Rede war, sei über dieses Thema noch das
Folgende nachgetragen.
Auch in früheren Jahrhunderten waren,
wie heute, jene »beliebten Autoren«, die den
größten Erfolg bei ihren Zeitgenossen fanden,
nur höchst selten zugleich die besten Schrift-
steller ihrer Zeit. Vgl. Clauren, von dem
T. Kellen nicht spricht, obzwar gerade der
Erfolg dieses Mannes zu interessanten Gegen-
warts-Parallelen Anlass geben könnte. Vgl. auch
August Lafontaine, dessen Erzählungen (150
Bände) vielfach den Werken Goethes vor-
gezogen wurden. Auf Kotzebue, den Mode-
dichter, der in den Jahren 1790 bis 1810
an Theater-Tantièmen (abgesehen von seinen
sonstigen Bezügen) fast viermal so viel, als
sein Zeitgenosse Schiller und dessen Erben
verdiente, ist bereits im ersten Theile dieser
Ausführungen verwiesen worden. Eine Zeitlang
»beliebt« war auch Müllner, der für die
vierte Auflage seiner »Schuld« und für die
schwachbeinige »Albaneserin« 4000 Thaler
von Cotta erhielt. Theodor Körner bezog
als »k. k. Hof-Theaterdichter« ein Jahresgehalt
von 1500 Gulden; für einen Drei-Acter und
drei Ein-Acter zahlte ihm Wallishauser in
Wien 30 kaiserliche Ducaten.
Kläglich besoldet war Kleist als Diätar
in Königsberg. In Berlin, wohin er sich aus
patriotischen Gründen begeben, fand er keinerlei
Unterstützung und gieng daran zugrunde.
Justinus Kerner, der in Geldsachen ein Kind
war, bekam für sein erstes Werk — 20 Frei-
exemplare und das Recht, Bücher im Gesammt-
werte von 32 Gulden und 30 Kreuzern bei
seinem Verleger zu beheben; die ärztliche
Praxis brachte ihm fast gar nichts ein, da er
meist unentgeltlich behandelte. Kant erhielt
erst in seinem 46. Lebensjahre eine Professur,
mit der übrigens ein sehr mäßiges Gehalt ver-
bunden war. Seine schriftstellerische Thätigkeit
brachte ihm fast gar nichts ein. Sein Hauptwerk
wurde von dem Verleger Hartknoch in Riga mit
einem Honorare von 4 Thalern pro Druck-
bogen bedacht, nachdem der Verleger Härtung
(Herausgeber der Königsberger Hartung’schen
Zeitung) das Manuscript zurückgewiesen
hatte! Dagegen waren die Einnahmen, die
sich aus den Collegiengeldern recrutierten, stets
ziemlich ansehnlich. In den letzten zwanzig
Jahren seines Lebens bewohnte Kant ein eigenes
Häuschen. Freiligrath wurde (1838) durch
den Erfolg seiner Gedichte veranlasst, den Kauf-
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mannsberuf, dem er sich ursprünglich ge-
widmet hatte, an den Nagel zu hängen. Einige
Jahre lang bezog er von Friedrich Wilhelm IV.
ein Ehrengehalt von 300 Thalern, auf das er
später (1844), als Hoffmann v. Fallersleben das
Lied vom »Schweigethaler« anstimmte, frei-
willig verzichtete. Seine Schriften brachten ihm
nicht immer wenig. Dennoch musste er es
vorübergehend in einem Handlungshause, dann
in einer Bank versuchen. Neun Jahre vor
seinem Tode ergab ein Aufruf zur Unter-
stützung des Dichters, von Emil Rittershaus
geleitet, binnen Jahresfrist die Summe von
60.000 Thalern. Hoffmann v. Fallersleben
bezog, seiner Professur enthoben (1848), ein
Wartegeld von 300 Thalern, dem sich zwölf
Jahre später ein herzoglich Ratibor’sches
Bibliothekarsgehalt von 300 Thalern gesellte.
Heine, der von seinem ursprünglichen Ver-
leger Dümmler für einen Sammelband («Harz-
reise«, »Nordsee«, »Heimkehr« etc.) 2 Louis-
dors pro Bogen verlangte, wurde mit seinen
Manuscripten abgewiesen! Campe gab
ihm für den ersten Band der »Reisebilder« 50
Louisdors. Den gleichen Betrag erhielt er für
sämmtliche Auflagen des »Buches der Lieder«.
Besondere Sympathien hegte Heine für Vor-
schüsse. Sogenannte »glänzende« Honorarien
bezog er von Cottas »Morgenblatt«. In Paris
brachten ihm seine literarischen Arbeiten
anfangs nur 3000 Francs jährlich ein. Sein
Onkel setzte ihm eine Jahresrente von 4800
Francs aus; das Ministerium Guizot gewährte
ihm (1836—1848) eine jährliche Dotation von
4000 Francs (»als Antheil an dem großen
Almosen, welches das französische Volk an so
viele Tausende von Fremden spendete, die sich
durch ihren Eifer für die Sache der Revolution in
der Heimat mehr oder weniger compromittiert
hatten und an dem gastlichen Herde Frank-
reichs eine Freistätte suchten«). Für seine
sämmtlichen Werke, die er der Firma Campe
auf elf Jahre überließ, erhielt er 20.000 Francs.
Sein Nachlass wurde um 10.000 Francs er-
worben. Heines Denkmal in Hamburg, ein
»prachtvolles Monument aus Stein«, näm-
lich: »ein großes, schönes Haus, das Herrn
Julius Campe gehört«, ist nach einem Aus-
spruche des Dichters aus dem Erträgnis der
»Reisebilder« und des »Buches der Lieder«
erbaut worden. Heine war kein schlechter
Geschäftsmann. Aber Goethe* war im Grunde
ein besserer; seinen Bemühungen ist es zu
danken, dass sich im Laufe der späteren
Zeit die Verleger bereit zeigten, ihren Autoren
angemessene Honorare zu sichern.
Rentabel scheinen heute nur mehr Theater-
stücke und Romane. Conditio sine qua non
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