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Woher kommt es, dass man einen
Maler oder Dichter in jeder Gesell-
schaft sofort erkennt, sei es an irgend-
einem noch so geringen Geschmacksfehler,
an einer gewissen Abweichung vom Her-
gebrachten, an einer besonderen Haltung,
die weder Ungeschicktheit noch Schüchtern-
heit, sondern eben nur Das ist, was das
»Künstleraussehen« genannt wird und der
Dame des Hauses stets ein leises Unbe-
hagen einflößt? Sind es die wirren Locken
oder die mächtigen Cravatten (diese zähen
Überreste der romantischen Tradition), die
dieses Besondere ausmachen? Ist es das
Unbehagen, bei »Spießern« zu sein, nur von
Dem sprechen zu dürfen, was den Künstler
nicht interessiert? Ist es die bedrückende
Unheimlichkeit, sich als interessanten
Leckerbissen herumgereicht zu sehen? Ist
es ganz einfach die Gewohnheit zu
träumen? Von alledem steckt etwas in
der Natur des Künstlers. Es steckt darin
das kindliche Wesen des Intellectuellen,
der an die freie Einsamkeit und die Un-
gezwungenheit des Ateliers gewöhnt ist;
es steckt darin die Eigenliebe, das Gefühl
des Fremdseins und besonders — ganz
verborgen — eine eigentümliche Schüch-
ternheit, die durch das Gefühl hervor-
gerufen wird, dass der Künstler außerhalb
der Gesellschaft steht und niemals wissen
kann, ob er darin nur zugelassen ist oder
herrscht. Daher ein argwöhnischer Stolz,
der die Unentschlossenheit schlecht ver-
birgt, und jene Unbeholfenheit, jene eigen-
thümliche Naivetät, die den geistig Beschäf-
tigten und überhaupt den uninteressierten
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Wesen eigen ist. Befragen Sie darüber
einen Maler, einen Musiker, einen Bild-
hauer oder selbst einen Schriftsteller, wenn
er nicht in Prosa schreibt — denn die
Journalisten-Arbeit und der Roman zwingen
den Schriftsteller zur Weltkenntnis —:
sofern er aufrichtig ist, wird er zugeben,
dass das Geheimnis seines »Benehmens« in
dieser psychologischen Beobachtung liegt.
Es kommt heute sehr selten vor, dass ein
Dichter mit seinem Titel prahlt. Das galt
in der Epoche der Inspiration und der
Sentimentalität à la
Musset. Heute ist
der Künstler aufmerksam, ernst und be-
sorgt. Wenn seine Stellung im Staate eine
genau festgestellte wäre, dann würde er
sofort ein Weltmann werden, er würde
dem reichen Spießbürger nicht erlauben,
auch nur die armselige, scheinbare Über-
legenheit in den »Manieren« für sich in
Anspruch zu nehmen; die Eleganz, die er
seinen Zeichnungen oder seinen Dichtungen
gibt, würde seine Stellung sofort erhöhen.
Er brauchte nur ganz kurze Zeit seine
Aufmerksamkeit anzuspannen, um sich
die oberflächliche, aber praktische Kunst
der Haltung im Leben anzueignen, näm-
lich die Kunst, dem neugierigen Pöbel,
der auf seine Fehler oder seine heimlichen
Schwächen lauert, eine höfliche und zu-
gleich undurchdringliche Außenseite zu
zeigen, seine Gedanken hinter der Höf-
lichkeit zu vermauern und straff, gewaffnet,
sicher den »Weltmenschen« gegenüber
aufzutreten, die dann über seine wahre
Aristokratie erstaunen und vielleicht sogar
selbst in Sachen des Taktes von ihm
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