|
höherem Grade, mit dem Geruch die der
dampf- und gasförmigen Körper, mit dem
Gehör die Bewegungen der Luft und mit
dem Gesicht die Bewegungen des Äthers —
so haben wir die Sinne ihrer Natur nach
gleichartig und nur quantitativ unter-
schieden, woraus die Möglichkeit hervor-
gienge, das Gesicht als ein erhöhtes,
verfeinertes Gefühlsvermögen anzunehmen,
welches wohl in Correspondenz stehen
könnte mit dem niederen Grad von Gefühl,
der Geschmack genannt wird.
Ein kleines Beispiel, wie das Gesicht
Einfluss auf den Geschmack üben kann,
mag für meine Hypothese sprechen, ehe
wir weitergehen. Wer in seiner Jugend
nur gelbe Melonen gegessen hat und für
den Melonengenuss eine intime Verbindung
mit einer schönen gelben Melonenfarbe
eingegangen ist, wird wahrscheinlich
gleich mir wenig oder kein Behagen daran
finden, nun auf seine älteren Tage grüne
Melonen zu essen, ungeachtet die letztere
wirklich einen feineren Geschmack (Geruch)
besitzen soll, als die gelbe. Ich kann ganz
einfach keine grüne Melone essen, so con-
servativ und auf dem Gesicht beruhend
ist mein Geschmack.
Wer die allgemeine Gewohnheit hat,
grünen Absinth zu trinken, wird mit Ekel
einen weißen an seine Lippen führen.
Das geschah mir in der Schweiz, wo ich
„à six heures moins un absinthe“ meine
Nerven bei einem solchen Freudenbringer
auszuruhen pflegte. Eines Tages serviert
man mir einen weißen, den ich als ver-
abscheuenswert zurückschicke, mit dem
Ersuchen um einen grünen. Der Kellner
antwortet, dass kein grüner mehr im
Hause sei. Der Wirt kommt hinzu und
erklärt, die Ware sei dieselbe, er könne
sie aber färben, ohne den Geschmack zu
ändern, wenn ich absolut auf die grüne
Farbe hielte. Er färbte ihn, und der Trank
schmeckte vortrefflich!
So ist der Geschmackssinn (Geruchs-
sinn) unter gewissen Voraussetzungen vom
Gesichtssinn abhängig.
|
Dass andere Sinne miteinander cor-
respondieren können, das wissen wir. Der
Maler spricht vom »Ton« (Farbenton)
und der Musiker von »Tonmalerei«. Wenn
man ein Musikstück hört, sieht man gern
etwas, und wenn man ein Gemälde sieht,
hört man Verschiedenes, wie das Sausen
des Windes und den Klang der Abend-
glocken.
Während meines Aufenthalts in
Deutschland traf ich einen Herrn, der
wahnsinnig sein sollte. Seine Krankheit
sollte darin bestehen, dass sich bei ihm
Gesichts- und Gehörssinn damit ergötzten,
einander zu vertreten, so dass der Mann,
der ein Musiker war, in Farben übersetzen
wollte, was er spielte. Als ich ihn damit
tröstete, dass dieses Phänomen nicht so er-
schreckend sei, da bereits vor zwanzig Jahren
ein deutscher Professor ein gelehrtes Buch
über die Sache geschrieben habe, und
Dietrichson in der ersten Auflage seiner
Welt des Schönen, nach dem Professor,
die Farbenharmonie mit Musiknoten wieder-
gegeben habe, fühlte er sich ruhiger, zumal
der Professor kein anderer war, als der
berühmte Helmholtz selbst.
Also — eine gegenseitige Ergänzung
der Sinne kann ja gedacht werden, und
dass Geschmack und Farbe in einem
gewissen Zusammenhang stehen können,
ist ja nicht unsinnig. Ist es ein Zufall,
dass das gelbe Öl bitter ist, der weiße
Champagner und die hellen Muscatweine
süß, der rothe Wein sauer? Vielleicht,
denn der gelbe Madeira ist nicht bitter,
der weiße Rheinwein nicht süß und der
rothe Portwein nicht sauer! Kann sein,
dass die Weine gegohrene Kunstproducte
sind. In natürlichem Zustande, das heißt so,
wie sie sich vorfinden, ohne von Menschen-
hand in bewusster Absicht bearbeitet zu
sein, ist die Gentiane und der Hopfen
gelb, der Zucker hell und die Preißel-
beere sauer.
Gibt es einen Zusammenhang oder
gibt es keinen? Ich kann nicht darauf
antworten. Untersuche Du!
|