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wegten. So sprach in der fünften Sitzung
ein norwegischer Gelehrter, Dr. Aars
aus Christiania, über »die sieben Räthsel
der Seele«, ohne für diese eine Lösung
in Vorschlag zu bringen. Ferner Professor
Bergson aus Paris über die Frage, worin
das Bewusstsein besteht, das wir von
einer intellectuellen Anstrengung haben;
Prof. Münsterberg von der Harvard-Univer-
sity Boston-Cambridge (U. S. A.) über die
von ihm angebahnte Atomistik der Psycho-
logie; Prof. Tschisch aus Dorpat über die
Schmerz-Empfindung u. s. w. Den gleichen
Charakter zeigten auch, wie gesagt, die Vor-
träge in den beiden letzten allgemeinen
Sitzungen. Den Leser, der sich näher für
derlei wissenschaftliche Fragen interessiert,
möchte ich wiederholt auf den demnächst
bei Félix Alcan, Paris (108 Boulevard
St. Germain) erscheinenden officiellen Con-
gress-Bericht verweisen.
Dagegen dürften von allgemeinerem
Interesse noch einige Bemerkungen über
das in der letzten Sitzung der V. Sec-
tion stattgefundene Rede-Scharmützel für
und wider die Psychologie des Occultismus
sein, da dies ja gerade das Ereignis bildet,
durch das sich dieser Congress von seinem
Vorgänger, auf dem so etwas ganz
unmöglich war, in charakteristischer Weise
unterscheidet. Ein von einer größeren
Zahl streng wissenschaftlicher Psychologen
ausgehender, gegen die Einschmugge-
lung des Spiritismus und Occultismus
in das Arbeitsgebiet wissenschaftlicher
Psychologen-Congresse gerichteter Protest
wurde in dieser Sitzung durch Dr. Oskar
Vogt, den Herausgeber der Berliner »Zeit-
schrift für Hypnotismus«, zur Verlesung
gebracht und begründet, worauf sich
zwischen Freunden und Gegnern des
Occultismus eine Redeschlacht entspann,
in der keine Partei der andern an Ent-
schiedenheit etwas nachgab. Die Gegner
des Occultismus stießen hier auf einen
unerwartet energischen Widerstand; denn
die Vertheidiger desselben — darunter der
bekannte Pariser Occultist Dr. med. Encausse,
ferner Gabriel Delanne, der Pariser Redac-
teur der »Revue scientifique et morale du
spiritisme« und der redegewandte Publicist
Léon Denis aus Tours — wurden nicht
müde, immer und immer wieder zu betonen,
dass auch ihre Forschungsergebnisse auf
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ebenso exact-wissenschaftlicher Beobach-
tung beruhten, wie die der Herren Posi-
tivisten.
Es wäre wohl eine der Hauptaufgaben
des in Paris projectierten Institut psychique
oder psychologique — wenn dieses über-
haupt zustande kommt — der Psychologie
des Occultismus auch in der officiellen
Gelehrtenwelt zu demjenigen Ansehen
und zu der Würdigung zu verhelfen, die
sie, wenigstens nach meinem bescheidenen
Dafürhalten, in der That wirklich ver-
dient. Wie dem Leser erinnerlich sein
wird, scheint dies auch die Anschauung
von Prof. Richet zu sein, dessen Äußerung
hierüber allerdings sich auf die Psychologie
überhaupt, nicht bloß auf die des Occultismus
bezog. Zur Erreichung dieses Zieles hat ja
die über die ganze angelsächsische Cultur-
welt sich erstreckende »Society for psychical
research« schon ein gut Theil vorgearbeitet,
während das Streben der über den ganzen
Planeten verbreiteten Theosophischen Ge-
sellschaft darauf gerichtet ist, dieser
psychischen Forschung einen ethisch-philo-
sophischen Stempel aufzudrücken. Blicken
wir heute auf Nordamerika, so machen wir
die Wahrnehmung, dass dort hervorragende
Psychologen, wie Prof. Hystop in New-York,
Dr. R. Hodgson in Boston u. a., auf Grund
vielfacher Erfahrungen mit Menschen von
abnormer psychischer Veranlagung, wie sie
ja in jenen Gegenden häufig zu treffen
sind, sich heute nicht mehr scheuen, zu der
einst belächelten Spirit-Hypothese zu greifen,
d. h. also, dass sie an der Möglichkeit
eines Verkehres mit Verstorbenen nicht
mehr zu zweifeln vermögen. Wie wir sahen,
ist dies bei dem berühmten Cambridger
Forscher Mr. Myers schon längst der Fall.
Prof. Richet freilich warnt noch vor dieser
und überhaupt jeder Hypothese. Aber wie
lange wird es wohl noch dauern, bis auch
er sich gezwungen sehen wird, im Gebiet
des Occultismus früher belächelte Hypo-
thesen zuzulassen? Auch Prof. Max Dessoir
in Berlin beweist in obigen, als Motto vor-
gesetzten Worten, dass er schon heute
dem Studium des verborgenen Seelenlebens
oder der Psychologie des Occultismus
sympathisch gegenübersteht, wenn ihm
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