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MODERNE KERAMIK. — Es gibt kein
gewerbliches Gebiet, auf dem die Erfüllung
praktischer Zwecke bereits so intensiv mit dem
künstlerischen Geist der Gegenwart durchsetzt
wäre, als das der Porzellan- und Steingut-Er-
zeugung. Die Malerei hat die neue japani-
sierende Auffassung des Ornaments, die Sculptur
die freie Behandlung der Formen, die Geschichte
eine Fülle von anregenden Vorbildern, die
exacten Wissenschaften vielfache Nuancen der
technischen Methoden beigesteuert. — Wenn
man einen Porzellanteller aus der alten Fabrik
von Sèvres mit den in der neuen Ära er-
zeugten Gegenständen vergleicht, findet man
leicht folgenden principiellen Unterschied:
Die alte Zeit, welche die Flächen der Gefäße
dazu benützt hat, um minutiös ausgeführte und
detaillierte bildliche Darstellungen aus der
Mythe oder Geschichte darauf anzubringen, hat
die Kunst deplaciert, sie hat den Nutzgegen-
stand äußerlich mit Kunst behängt, ausstaffiert;
die moderne Richtung durchdringt das gesammte
Gefäß in seinen Formen und seinem Decor.
Sie hat dabei in der Formgebung viel bei den
Griechen, in der Ornamentik von den Japanern
und neuerdings bei den Chinesen gelernt, aber
alle Elemente zu einem neuen, eigenen Stil
verarbeitet.
Schon die Pariser Weltausstellung von
1889 hat die Anfänge dieser großen Bewegung
erkennen lassen. Die Manufactur von Sèvres
hat seit 1880 unter Salvetat, Lauth und
M. G. Vogt die verschiedenen Techniken
in ihrem Programm: »Les décors de grand
feu, les flambés rouges de cuivre, les bleus tur-
quoises, les émaux polychromes, les fonds colorés
de demi-grand feu, la pâte ambrée des bis-
cuits —«, so lauten die Fachausdrücke für die
unter verschiedenen Hitzegraden hergestellten
Glasuren, Emails und coloristischen Effecte.
Und auch die beiden großen dänischen Firmen,
die jetzt neben Sèvres als die führenden er-
scheinen, die »Königliche Porzellanfabrik« und
die Fabrik von Bing & Grondahl, traten bereits
damals mit vielverheißenden Proben hervor.
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Aber in den letzten Jahren haben sich diese
Unternehmungen auf eine überraschende Höhe
emporgeschwungen; und neben ihnen sind
zahlreiche kleinere und kleinste Finnen mit
meist vorzüglichen Leistungen aufgetaucht.
Ja, die kleinen Manufacturen, die meist einem
Künstler mit eigenem Programm ihre Ent-
stehung verdanken oder wenigstens ihm sich
zur Verfügung gestellt haben, sind so productiv
an vorzüglichen Neuerungen, dass die »offi-
ciellen« Fabriken alle Anstrengungen machen
müssen, ihren Rang zu behaupten. Frauen
haben erfolgreich eingegriffen, ganze Familien
haben sich dem Fach der Kunsttöpferei gewid-
met. Namen, wie Prof. Länger (Karlsruhe),
Familie Heider (Schongau), Theo Schmuz-
Baudiss, Frau Schmid-Pecht (München)
sind heute in Amateurkreisen ebenso bekannt
und wohl accreditiert, wie etwa die großen
Fabriken von Meissen und Nymphenburg.
Österreich wurde in der Keramik auf der
Weltausstellung von fast allen Nationen ge-
schlagen! Und das müsste nicht sein; bei
dem Luxus, den unsere vornehmen und ver-
mögenden Kreise mit derartigen Gegenständen
treiben, könnte die Erzeugung von Steingut-
und Porzellanwaren höhere Wege einschlagen.
Sogar in der Jubiläums-Ausstellung von 1898
waren hübschere und geschmackvoller arran-
gierte Gruppen zu sehen, als diesmal in Paris.
Wahliss hatte eine Collection äußerst feiner
und discreter Teller ausgelegt, auch andere
Firmen hatten gute Services, Nippes und
figurale Sachen gebracht, wenn auch nicht von
erstem Geschmack. Aber was in der letzten
Zeit in den Wiener Schaufenstern sich breit
macht, diese crass colorierten Figurengruppen,
diese niedlichen Witzchen aller Art, die jeder
Zweckmäßigkeit und künstlerischen Form-
gebung spotten, sollte man zusammenschlagen
und zum Mistbauer hinuntertragen. — Denkt
denn keine der Firmen, die jährlich schwere
Tausende verdienen, daran, einen namhaften
Künstler mit der Leitung zu betrauen, wie es
alle deutschen, französischen, englischen u. s. w.
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