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Malerei aber wirkt anekdotisch, episoden-
haft, ungleich dem zielbewussten Weltbild-
Milieu in Grabbes Historien. Der Cynis-
mus selber, Lenz und Grabbe abgelauscht,
entbehrt ganz der inneren Nöthigung
echter bitterer Leid-Satire, er steht sozu-
sagen kokett vor dem Spiegel, Salon-
Cynismus. Das sprunghaft Epigramma-
tische dieser historischen Genre-Scenen,
nach Grabbe copiert, hat nirgends die innere
formale Natürlichkeit der Grabbe’schen
Lapidarschrift. Aber weil dieser geistig
unreife Jüngling die »Kraftgenialität« mit
sauberer Eleganz austiftelte, deshalb
sehen manche darin Genie im Gegensatz
zu dem verpönten Grabbe und Lenz, und
Büchner fand im allgemeinen Gnade bei
den Literarhistorikern, die seinen frühen
Hingang beklagen, als ob hier Wunders
was zu erwarten gewesen wäre. Denn
überall wittert der Kunstphilister consequent
Geist von seinem Geiste — das ist die
einzige Consequenz seiner Beurtheilung
— nämlich Formsinn im äußerlichen
Sinne, während die falschen »Genies«,
wie Büchner und Hauptmann, jeder wahren
inneren Form entbehren. Form und Inhalt
sind freilich eins, Form vom Inhalt nicht
zu trennen, doch in ganz anderer Weise,
als der Kunst-Banause meint. Denn der
specifische geistige Gehalt (Inhalt) hat
doch naturgemäß an sich eine bestimmte
Structur (innere Form) und der Aus-
druck (äußere Form) erwächst logisch
mit unbewusstem Naturprocess aus dem
Inhalt. Die Kunstpfafferei aber gleicht
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durchaus der conventionellen Moral-
pfafferei, denn beide bevormunden mit
willkürlicher Menschensatzung, ohne sich
deren völliger Relativität bewusst zu werden
und die Berechtigungsursache abweichen-
der Lebensart zu berücksichtigen. Die
»Kunst«, wie die Theologie (die Anmaßung
des Verlehrtenthums der Wissenschaft
nicht zu vergessen) ist als beschränktes
Menschenwerk ein Todfeind der unver-
fälschten Natur. Und doch spach Dürer
das große Wort: »Die wahre Kunst« —
er meinte die echte Schöpfung — »steckt
in der Natur, wer sie dort herausreißt,
der hat sie«. Darum sind im letzten Ur-
grund Grabbe, Marlowe, Lenz u. s. w.
und auch Bums, Petöfi (die urwüchsigen
Volks-Lyriker) »Künstler«, weil aus Natur-
drang schaffend, die »Künstler« keine.
Wer die Höhe jenseits Gut und Böse
des ästhetischen Pharisäerthums erreicht,
wird über die Phrase vom »großen Woller
und kleinen Könner« lachen. Kein
großer Könner war ein kleiner Woller,
kein großer Woller je ein kleiner Könner.
Denn, was dem Banausen als »Können«
erscheint, ist meist handwerkmäßiges
fleißiges Afterkönnen, das durch eleganteste
Alluren doch niemals das Können der
Kraft erzwingt. Deshalb wirkt es auch so
beweiskräftig, dass die Werke der »großen
Woller«, die das niedere Auffassungsver-
mögen des Banausen beleidigen, allemal
von den wenigen Verständnisvollen als
allergrößtes Können empfunden und
beurtheilt werden.
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