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Gehirns oder einer Gehirnpartie voraus-
setzt, vermöge deren Diejenigen, die sie
besitzen, Dinge ahnen und vernehmen
können, die sich der gewöhnlichen Geistes-
thätigkeit entziehen, vermöge deren sie in
äußersten, höchstgesteigerten Zuständen ein-
ander sozusagen »drahtlos telegraphieren«
könnten, indem das telepathische Vermögen
des Einen die von dem Anderen aus-
gehenden »Lebenswellen« mit derselben Ge-
nauigkeit registrierte und beantwortete,
wie der drahtlose Telegraphen-Apparat die
elektrischen Wellen. Die Wahrschein-
lichkeit einer solchen Erklärung jener
Vorgänge dürfte zum mindesten ein-
leuchtend sein; wenngleich die »Lebens-
wellen« noch nicht nachgewiesen worden
sind und vielleicht kaum nachzuweisen
sein dürften, so sind sie doch so sicher
als vorhanden anzunehmen, wie die
Röntgenstrahlen, die man zwar nachge-
wiesen hat und zu erzeugen versteht,
aber noch nicht zu erklären imstande ist.
Die »glückliche Hand« und das »Sonn-
tagskind« sind für das Volksbewusstsein
feststehende, wenn auch unerklärte, für
uns erklärbare Thatsachen, von denen
wir uns wenigstens ein Bild machen
können. Wir haben einen Fingerzeig
gefunden, wie man die »glückliche Hand«
üben, ja heranzüchten könnte. Auf, ihr
Glücksjäger aller Art, hier könnt ihr
euer Glück machen — der Weg zu ihm
führt durch die Verinnerlichung,
die Geschweigung des äußeren, groben
Sinnenlebens, den nachtwandlerischen Zu-
stand, in dem das Unbewusste nach oben
kommt und das instinctive Vermögen
aufblitzt, welches in dem Licht des Tages
verblasst. Vielleicht führt dieser Weg in
Fausts »Reich der Mütter«, von dem
dieser sagt:
»Es ist nicht draußen; da sucht es der Thor;
Es ist in dir, du bringst es hervor —«
oder ist dort der »Stein der Weisen« zu
finden, von dem Goethe singt:
»Wie sich Verdienst und Glück verketten,
Das fällt den Thoren niemals ein;
Wenn sie den Stein der Weisen hätten,
Der Weise mangelte dem Stein.«
Wir lasen einmal einmal eine Novelle,
in welcher ein Mensch, der regelmäßig
gegen Abend in einen hypnotischen Zu-
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stand verfiel, allnächtlich eine Spielbank
sprengte, und an jedem Morgen höchst
überrascht war über die Goldhaufen,
die er auf seinem Tisch fand, deren
Herkunft er sich nicht erklären
konnte. Merkwürdig ist es immerhin,
dass man noch nicht auf den Ge-
danken gekommen ist, nachtwandlerische
Naturen an den Spieltisch zu setzen.
Wir Anderen aber, die wir nach dem
Glück des Wissens trachten, wir er-
blicken in dem instinctiven Ahnungsver-
mögen, in dem Organ, in welchem sich
die Lebenswellen in Empfindungen und
Vorstellungen, und diese wiederum in
»Lebenswellen« umsetzen, eine Kraft und
Mächtigkeit, die wir pflegen müssen, wie
jede andere Kraft, welche wir in uns
verspüren. Durch die exacte Wissen-
schaftlichkeit, durch die einseitig empirische
Ausbildung, durch den Sinnencultus unserer
Zeit sind die seelisch-geistigen Kräfte
des modernen Menschen ein wenig aus
dem Gleichgewicht gerathen. Die äußeren
Sinne dominieren über den inneren
Sinn, und es ist hohe Zeit, dem letzteren
wieder ein wenig zu seinem Rechte zu
verhelfen. In unserem Inneren liegen
Schätze, die wir noch zu heben haben —
die wir nur durch Verinnerlichung
heben können. Wir müssen uns ein
wenig nachtwandlerisch anhauchen
lassen, um die dunklen Pfade begehen zu
lernen, die zu diesen Schätzen führen.
Der moderne Mensch ist zu wach und
zu nüchtern. Diese Einseitigkeit der
großen Masse hat die andere Einseitigkeit
der mystischen, theosophischen und spiri-
tistischen Regungen einer Minorität in die
Erscheinung gerufen, die wir in den
letzten Jahrzehnten beobachten konnten.
Nach einem Worte Goethes weckt jedes
Wesen einen »leisen Widerspruch« in
seiner Umgebung. Dieser Widerspruch
bekundet sich bei hellen Körpern in einem
sie umschlingenden Schattenring, der
dunkler ist, als die übrige Umgebung; bei
dunklen in einem entsprechend helleren
Lichtring. Solchermaßen bezeugt sich
die Einseitigkeit jeder Erscheinung, indem
sie ihren Widerspruch und Gegensatz
hervorruft, mit dem sie sich zu einer
Totalität ergänzt. Die in der modernen
Mystik ungewönlich excentrisch hervor
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