Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 2, S. 47
Text
blick wird noch kommen, wo die ganze Seele wie ein klares
Wasser hervorsprudeln wird, von dem Schmerze
Alladine.
Nein, nein!
Ablamore.
Abermals Wir sind nicht am Ende, der Weg ist
sehr weit — und die nackte Wahrheit verbirgt sich zwischen
den Felsen Wird sie kommen? Ich sehe schon ihre
Zeichen in deinen Augen, und ihr frischer Athem badet mein
Gesicht Ah! Alladine! Alladine! (Er lässt sie plötzlich los.)
Ich habe deine Gebeine wimmern hören wie kleine Kinder
Ich habe dir doch nicht wehe gethan? Bleib nicht so auf
den Knien vor mir Ich werfe mich vor dir auf die Knie.
(Er thut, wie er es sagt.) Ich bin ein Unglücklicher Du musst
Erbarmen mit mir haben Nicht für mich allein bitte ich
Ich habe nur eine arme Tochter Alle anderen sind todt
Ich hatte sieben um mich her Sie waren schon und reich
an Glück, und ich sah sie nicht wieder Die letzte, die mir
blieb, war nahe daran, ebenfalls zu sterben Sie liebte das
Leben nicht Aber eines Tages hatte sie eine Begegnung,
welche sie nicht mehr erwartete, und ich sah, dass sie den
Wunsch zu sterben verloren Ich verlange nichts Unmög-
liches
(Alladine weint und antwortet nicht.)
IV. Scene.
Astolainens Gemach.
Astolaine und Palomides.
Palomides.
Astolaine, als ich durch einen Zufall Euch begegnete,
es sind wenige Monate her, schien es mir, als fände ich endlich,
was ich seit langen Jahren gesucht hatte Ehe ich Euch
kannte, wusste ich nicht, was mitleidsvolle Güte und voll-
kommene Einfalt einer erhabeneren Seele allzeit sein kann. Ich
ward so tief davon erschüttert, dass ich wähnte, ich begegnete
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 2, S. 47, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-01-02_n0047.html)