Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 3, S. 91
Text
Ein Gang vor Alladinens Gemach.
Astolaine und Palomidens Schwestern treten auf.
Astolaine.
Die Pferde warten im Walde, aber Palomides will nicht
fliehen, während euer Leben und das seine in Gefahr ist. Ich
erkenne meinen armen Vater nicht mehr. Er hat eine fixe
Idee, die seinen Verstand verwirrt. Drei Tage sind es nun,
dass ich ihm folge Schritt für Schritt; indem ich mich hinter
Pfeilern und Mauern verberge, denn er duldet nicht, dass
ihn Jemand begleitet. Heute wie die anderen Tage begann
er, beim ersten Morgenschimmer durch die Gänge und Säle
des Palastes und längs der Gräben und Wälle umherzuirren,
indem er grosse goldene Schlüssel schüttelte, die er anfertigen
liess; und mit voller Stimme jenes sonderbare Lied sang,
dessen Kehrreim: »Fahrt hin und folgt dem Gesicht,«
vielleicht bis in das Innere euerer Gemächer drang. Ich ver-
barg euch bisher Alles, was vorgefallen, weil ich ohne Grund
von diesen Dingen nicht sprechen will. Er muss Alladine in
diesem Gemache eingesperrt haben, aber Niemand weiss, was
er mit ihr gethan. Ich horchte jede Nacht, sobald er sich
nur einen Augenblick entfernte, doch hörte ich niemals
irgend ein Geräusch im Zimmer Hört ihr etwas?
Eine von Palomidens Schwestern.
Nein; ich höre nichts als das Säuseln der Luft, die durch
die kleinen Ritzen des Holzes streicht
Eine andere Schwester.
Mir ist, wenn ich lausche, als hörte ich das grosse Pendel
der Uhr.
Dritte Schwester.
Aber wer ist denn diese kleine Alladine und warum
zürnt er ihr so?
Astolaine.
Sie ist eine kleine griechische Sclavin, die aus dem
Innern Arcadiens gekommen ist Er zürnt ihr nicht, aber
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 3, S. 91, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-01-03_n0091.html)