Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 4, S. 156
Text
Die hellen Klingen gleiten um Haaresbreite an den Gesichtern
der Zuschauer hinter ihnen vorüber.
Besondere Zustimmung aber fand er, als er einmal Ge-
legenheit nahm, sich über die »schwerflüssigen Sprachwerk-
zeuge des Herrn Kutschera« auszulassen.
Die syntaktischen Reformen, die er in unser Schrift-
thum einführte, haben den Mann populär gemacht. Aber auch
inhaltlich hat er, durch Meinung und Tonart seiner Auf-
sätze, jederzeit im Sinne einer Volksaufheiterung gewirkt.
Einer grossen Zugkraft erfreuten sich die köstlichen Wahn-
vorstellungen, die er zu produciren pflegte, die grotesken
Ueberhebungen, zu denen sich der »gemüthliche Wiener
Bitz« verstieg. Keine bedeutungsvolle Entdeckung, die ohne
seine Mithilfe gemacht worden wäre, keine künstlerische
Persönlichkeit, die nicht von ihm die erste Anregung
empfangen hätte. Alles verdankt ihm seine Entstehung, alle
hat er »gemacht«. Ueber Mascagni schreibt er:
Ich trug das Meine bei, um ihm zu helfen mit gefälligen
Reclamen. So nützte ich ihm gerne, wie gesagt: ich nütze immer
Anderen gerne; auch heute noch.
Und in der gleichen Tonart ruft er aus:
Endlich ist es Hermann Sudermann gelungen, mich vollständig
zu überzeugen!
Wo der Schriftsteller, sei es durch Undeutsch oder
Grössenwahn, das ganze Interesse der Oeffentlichkeit ab-
sorbirt — bleibt für den Maler nichts mehr übrig, und er muss
der Beliebtheit des Schreibenden weichen. Gerade er nun
könnte dem Stillleben zu bedeutendem Aufschwung ver-
helfen und namentlich als Stylblütenmaler Hervorragendes
leisten. Dem Porträtisten begegnet man schon lange mit
Misstrauen. In den letzten Jahren haben sich nur mehr Ver-
storbene von ihm zeichnen lassen, z. B. Bruckner und Tilgner.
Kein Tadel kann ihn in solchen Fällen treffen; hat er doch
hier die Entschuldigung der vom Tode entstellten Züge
für sich.
Probleme sind es, des Schweisses der Edeln werth,
welche eine benachbarte Tischgesellschaft in Athem halten.
Kein literarischer Misston stört die reine Theaterfreude
dieser Menschen, kein Jung-Wiener Künstler verirrt sich
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 4, S. 156, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-01-04_n0156.html)