Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 5, S. 163
Text
»Das wird Aufregung in der Stadt geben! Wenn die Commercien-
räthin Leonstein nicht die Lorbeerkränze dieser vierzehn Tage bereut!«
»Ha — ha — ha! Hi — hi!«
Man drängte sich zum Händedruck um das Brautpaar.
Olga Ridberg nahm ihre goldbraune Sammtschleppe zusammen,
um der Scene ein Ende zu machen. Das Herz schlug ihr wild, und
sie bewahrte nur schwer ihre freundliche Gelassenheit.
Er hatte nicht von Verlobung, nicht von Heirat geredet auf dem
Spaziergang am Nachmittag. Nur von Freundschaft, die sein kurzes
Gastspiel überdauern sollte, von Aussichten, die sie in Berlin haben
würde, wo er für ihr Engagement wirken wollte. Und nun nahm er
ihre Einwilligung so plötzlich, so im Sturm
Sie musste sich fassen — sich klar werden — dem Taumel ent-
rinnen Und o — wie entzückend, wenn dann auch die Vernunft
ihr sagte, dass sie glücklich sein durfte!
»Verzeihung, Herr Director — ich werde erwartet «
Ein Blick, ein leuchtender, glückseliger Blick auf Heller, dem er
mit seinen ausdrucksvollen Augen antwortete, und sie lief davon.
»Ich glaube, die Excellenz Wabern sitzt schon in der Garderobe,
um Sie zu empfangen,« bemerkte der Director unbestimmt und süsslich
lächelnd. »Sah vorhin den Livréediener da an der Thür.«
»Na ja, Heller — Ihr Fräulein Braut wird hier energisch an-
gebetet — machen Sie sich nur auf ein paar Duelle gefasst mit alten
Damen und schwärmerischen Backfischen!«
Franz Heller lachte als der gutmüthige Sieger über den Versuch
des Directors, sarkastisch sein zu wollen.
Die Geschichte, wie Fräulein Ridberg Director Luckner ablaufen
liess, hatte er während seines vierzehntägigen Gastspieles nicht nur
vom Friseur und Garderobier gehört, sondern auch von der Naiven,
vom Komiker, von der Heldenmutter und vom Regisseur — so ver-
schieden ausgeschmückt und zurechtgestutzt, wie es gerade das Rollen-
fach des Erzählers bedingte. Jede Andere wäre danach wohl entlassen
worden. Aber mit der Ridberg konnte der Director es nicht wagen
— sie war zu beliebt beim Publicum und wurde von den ange-
sehensten Familien in der Stadt gehalten. Es hätte der Casse arg ge-
schadet.
Da war z. B. das Haus der reichen Waberns, wo der Director
brennend gern verkehrt hätte. Es blieb ihm verschlossen, aber für
Fräulein Ridberg hatte es sich freundschaftlich geöffnet. Freilich spielten
in diesem Falle auch alte Beziehungen mit: Excellenz Wabern war
eine Jugendfreundin von Olga Ridberg’s Vater, der noch jetzt eine
hohe akademische Stellung bekleidete.
Dem jungen Mädchen war es nicht leicht gemacht, ihrem Wunsch
folgen und sich für die Bühne ausbilden zu dürfen. Zwar gab es
keine lauten Scenen: ihr Vater hatte sie weder verflucht, noch aus
dem Hause gestossen und enterbt. Als er sah, dass sie fest in ihrem
Entschlusse blieb, hatte er sich gefügt. Nur traurig wurde er von da
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 5, S. 163, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-01-05_n0163.html)