Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 5, S. 179
Text
und es ist wahrscheinlich der Widerschein des Meeres, der uns
so leuchtet Sie glaubten, uns in Nacht zu versenken. Mit
Fackeln und Lichtern sind sie hier herabgestiegen und haben
nichts als Finsterniss gesehen, während uns das Licht ent-
gegenkommt, weil wir keines haben Es nimmt unab-
lässig zu Ich bin gewiss, die Morgenröthe durchdringt
den Ocean und sendet uns durch all die grünen Wogen das
Allerreinste ihrer Kinderseele
Alladine.
Wie lange sind wir schon hier?
Palomides.
Ich weiss es nicht Ich habe mich um nichts ge-
kümmert, ehe ich dich hörte
Alladine.
Ich weiss nicht, wie es kam. Ich schlief in dem Zimmer,
in dem du mich fandest, und als ich erwachte, hatte ich die
Augen verbunden, und meine beiden Hände waren an meinen
Gürtel gefesselt
Palomides.
Auch ich schlief. Ich hörte nichts und hatte eine Binde
vor den Augen. Ich wehrte mich im Dunkeln; aber sie waren
stärker als ich Ich muss durch tiefe Gewölbe gekommen
sein, denn ich fühlte die Kälte auf meine Glieder fallen; und
ich stieg so lange hinab, dass ich die Stufen nicht mehr
zählen konnte. Hat dir Niemand etwas gesagt?
Alladine.
Nein; es sprach Niemand. Ich hörte nur Jemanden, der im
Hinuntersteigen weinte, dann schwanden mir die Sinne
Palomides (küsst sie).
Alladine!
Alladine.
Wie feierlich du mich küsst
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 5, S. 179, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-01-05_n0179.html)