Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 8, S. 299

Félicien Rops (Peladan, Sar Josephin)

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Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 8, S. 299

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FÉLICIEN ROPS. 299

Falte des Stoffes nistet er die sieben Todsünden ein; er hat das Kleid
nicht nur menschbelebt, sondern geradezu animalisirt.

Als Maler der Perversität oder besser der Verderbtheit ragt Rops
selbstverständlich in der Entkleidung hervor. Sein Stülpen der Aermel,
sein Brustentblössen und seine Halsknoten sind von bewundernswerth
bezeichnender Erfindung. Die langen Handschuhe und die grossen,
schwarzen Strümpfe, welche, ohne dem Modell, ohne ihm etwas zu nehmen,
einen eigenthümlich perversen Ton verleihen, sie haben in Félicien Rops
ihren Entdecker.

Will man die modernen Werke von Rops in eine Formel fassen,
so ergibt sich die folgende: Der Mann, besessen vom Weibe; aber der
Zwang der geschlechtlichen Anziehung genügt nicht, diese Besessenheit
zu erklären, und als Moderner, d. h. als katholischer Geist — denn
dies ist synonym — hat Rops des Teufels gedacht. Es ist sein bleibendes
Verdienst, den Muth gehabt zu haben, aus dem heraus, was Nichts-
wisser den Aberglauben des Mittelalters nannten, die Lösung des Leiden-
schaftproblems gefunden zu haben.

Félicien Rops frug sich, was Lucifer denn sei, was er seit der
Renaissance geworden und welches die Ursache sein mag, dass er in
Nichts und Niemandem mehr erscheine, da der Spiritismus nur eine
nervös-krankhafte Erscheinung, doch keine Manifestation vom Bösen ist,
wie Chevillard es so meisterhaft bewies. Als feinsinniger Meister fand
Félicien Rops, dass die heutigen »Besessenen« die Positivisten seien und
nach der Sittenordnung ihr Helfershelfer: das Weib. Rops ersann die
vom ästhetischen Gesichtspunkte wunderbare Formel: der Mann, be-
sessen vom Weibe; das Weib, besessen vom Teufel. Wie so Vieles, kennt
Rops auch den Occultismus, gehört ihm jedoch nicht an; sein Zauber-
buch liegt in seiner Inspiration.

Félicien Rops ist vom Publicum ungekannt; aber hat er auch
keinen Namen, Ruhm besitzt er. Dreihundert subtile Geister bewundern
und lieben ihn. Die Zustimmung dieser Denker ist die einzige, an die
der Meister sich kehrt. Könnte einer von Jenen, für welche populari-
sirende Werke geschrieben werden, an einem seiner Werke Geschmack
finden, Rops würde es sofort vernichten. Patricier der Kunst, will er
nur Richter von seinesgleichen. Nicht aus Stolz. Die beste Probe seiner
Bescheidenheit ist seine geringe Notorität, die er wünscht, da er weiss,
dass die Kunst ein Druidismus ist, welcher alle zur Höhe strebenden
Geister aufnehmen, aber nie zu Jenen sich niederlassen darf, die sich
nicht zu erheben vermögen.

Das Werk Félicien Rops’ umfasst das gesammte synthetisirte Leben
der Modernen; ihre Spitzen sind: das Weib und der Teufel!

Die flüchtige Anmuth des unsteten, stets wechselnden Weibzeit-
genossen ist in ein Kunstwerk beinah nicht zu bannen. In der Be-
wegungslosigkeit büsst es seinen schönsten Reiz ein, der in der Rasch-
heit und in dem Unerwarteten der Geste und der Haltung liegt. Die
Pariserin zum Styl erheben, ist eine Unmöglichkeit, die nur Rops sieg-
reich versucht hat. Als Denker empfindend, hat er statt eines einfachen

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 8, S. 299, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-01-08_n0299.html)