Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 8, S. 300

Félicien Rops (Peladan, Sar Josephin)

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Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 8, S. 300

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300 PELADAN.

Weibes unserer Tage die »Dame au pantin« geschaffen, das Dämchen
mit dem Klappermann, der vielleicht Sie sind oder ich bin.

Doch das Wunderbarste seines Werkes ist der Teufel. Ja, heute,
in der Zeit der starken Geister, gibt es einen Künstler, der Dämone
schafft, welche ängstigen und die keiner verlacht. Oh! es ist nicht
Bertram, nicht Mephistopheles, er hat keine Klauen; dieser Teufel ist
im Frack und trägt ein Monocle und er beängstigt doch; der einzige
Satanismus ist: sein Lächeln und sein Blick.

Es sei versucht, eine Idee von den »Sataniques« zu geben, diesem
Poem vom »Weib, besessen vom Teufel«, in welchem Félicien Rops sich
bis zum Dürer erhebt, mehr denn je Félicien Rops bleibend:

I. »La Chimère.« — Enorm, breitschulterig aus dem Block ge-
schnitten, die steinernen Augen im nubischen Antlitz nach dem Horizont
des Mysteriums gewandt, rollt die Chimäre die kahlen Flügel zur Hohl-
muschel ein; in ihr wie in einer Nische sitzt Satan, das Kinn in die
Hand gestützt, weiss cravattirt, das Monocle ins Auge geklemmt; so
betrachtet er das Weib, welches auf dem Rücken des Kolosses liegt
und, indem es ihn liebend umarmt, zu seinem Ohr hinaufstrebt, ihm
ihr Geheimniss zu vertrauen. Dieses Geheimniss, Satan hört es würdevoll,
kaum merklich höhnend an: ein Akademiker der Hölle ist er, kein
Hornstümpfchen, kein Schweif verunstaltet ihn. Dieses Weib, das sich
auf dem steinernen Koloss wälzt, ihm das Geheimniss vertrauend, das
der Teufel belauscht und durch welches er das Weib an sich zerren
wird: Ist es nicht das Symbol der Sünde?

Technisch lässt der weibliche Körper an Michelangelo denken,
wie von einem florentinischen Meister ist es, aber des Teufels Antheil
daran ist grösser!

II. »Le Semeur.« — Nun ist es Satan der Bauer, welcher in dunkler
Nacht die Erde durcheilt, die bösen Wesen säend, die abscheulichen
Neugeborenen, welche Verdammte sein werden; Satan hat die Blouse
voll von diesen verdammten Geschöpfen, die er mit vollen Händen aus-
streut. Rops stellt ihn dar, einen Fuss auf den Thürmen von Notre
Dame und halb Paris unter den mageren, mit riesigen Holzschuhen an-
gethanen Beinen, sein finsterer Schattenriss erfüllt den Himmel. Es ist
ein Dürer!

III. »L’Idole.« — Man vermeint, den schimpflichen Cultus der
Phönicier zu sehen. Vom Giebel eines Bauwerkes werfen zwei unheim-
liche Scheinwerfer ihre schwefeligen Schimmer. In der Mitte ragt ent-
setzlich der höhnisch grinsende Götze, eine Art Satan, halben Körpers
in einer Hermesscheide; das bethörte Weib widersteht der Bestrickung
nicht und hisst sich auf den Götzen, umschlingt ihn verblendet unter
dem höhnenden Gelächter des bronzenen Dämons.

IV. »Le Sacrifice.« — Hier hat Satan keine beschreibliche Form
mehr. Ein ochsenkopfförmiger Helm, mit einem Thierfell und dem Schweife
eines Monstrums, durch den er das Weib behext und in seiner Gewalt
hält, dieses Weib, das vom Wahnsinn durchwühlt sich vornüber geworfen,
auf einen Altar mit selbstschänderischen Reliefbildern.

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 8, S. 300, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-01-08_n0300.html)