Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 15, S. 589

Die magische Vertiefung der modernen Naturwissenschaft (Du Prel, Dr. Carl)

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Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 15, S. 589

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DIE MAGISCHE VERTIEFUNG DER MODERNEN
NATURWISSENSCHAFT.
Von Dr. Carl du Prel (München).
II. (Schluss.)

Er hat nachgewiesen, dass die von Mesmer entdeckte Kraft in
der ganzen Natur sich findet; dass, wenn man am Leib des Menschen
mit den Polen starker Magnete herabstreicht, sich immer Personen
finden, die davon afficirt werden, selbst wenn sie nicht wissen, was
vorgeht. Der Mineralmagnetismus übt also einen Einfluss auf die
Lebensthätigkeit aus, so dass bei sensitiven Personen oft Bewusstlosig-
keit eintritt. Sie nehmen flammenartige Lichterscheinungen an den
Polen der Magnete wahr, und daraus zog in Bezug auf die Universalität
des Magnetismus Reichenbach den Schluss, dass das Nordlicht unter
dem Einflüsse der magnetischen Erdpole sich bildet und identisch ist
mit den Lichterscheinungen über den Magnetpolen. So konnte sich
Reichenbach der Vermuthung nicht entziehen, dass der gewaltige Erd-
magnetismus, welcher der Magnetnadel ihre Richtung gibt, von Einfluss
auf das thierische Leben sein muss, und er hat bekanntlich bei einer
grossen Anzahl von Sensitiven gefunden, dass nur die Bettlage, mit dem
Kopf gegen Norden, mit den Füssen gegen Süden, wohlthätig, jede
andere mehr oder minder schädlich sei. Die Lage in den Meridianen
ist die normale für den Menschen, die in den Parallelen die schädliche.
Die Sensitiven können die Lage des Kopfes gegen Westen, mit den
Füssen gegen Osten, wenn ihre rechte Seite nach Süden, ihre linke
nach Norden gerichtet ist, nicht ertragen, weil dabei die positive Seite
ihres Leibes dem positiven Erdpol, die negative dem negativen Erdpol
zugekehrt ist; gleichnamige, also feindliche Pole, sind dabei einander
zugekehrt, und da sie sich abstossen, erzeugen sie das Missbehagen
der Sensitiven.1) Wenn Reichenbach sagt, dass durch Striche mit Kry-
stallen Krämpfe und Bewusstlosigkeit erzeugt werden können wie durch
die Hand des Magnetiseurs, so erweist sich die Krystallisation als ein
Uebergang vom Leblosen zum Lebenden, und es ist der Punkt ge-
funden, wo der animalische Magnetismus an die Physik sich anknüpfen
lässt. Wenn er ferner diesen Magnetismus in der ganzen Natur vor-
findet, im Sonnenlicht, im Mondschein, im Thier- und Pflanzenleben,
in der Reibung, im Ton, in den molecularen Veränderungen, in der
Elektricität und im Chemismus, so ist damit das menschliche Leben
in eine innige Verbindung gebracht mit dem ganzen Naturleben, und
so lässt sich allerdings von einer Weltseele sprechen. Diese Physik des


1) Reichenbach: »Untersuchungen über den Magnetismus«, 230.

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 15, S. 589, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-02-15_n0589.html)