Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 21, S. 813
Das Ergebniss der Münchener Kunstausstellung von 1897 (Fuchs, Georg)
Text
AUSSTELLUNG VON 1897.
Von Georg Fuchs.
Lenbach sagte in einer Bankettrede, als die VII. Internationale
Kunstausstellung in München eröffnet wurde: »Wir sind ausstellungs-
müde, die Zeit der grossen Ausstellungen ist vorbei.« O, dass es doch
so wäre! möchte man zuerst ausrufen. Da denkt man daran, dass
unsere Maler nur deshalb ihren Beruf verfehlten — ausgenommen
Wenige — weil sie für die Ausstellungen schufen, in der besonderen
Absicht, in den Salons Aufsehen zu erregen. Da denkt man daran,
welchen Hass wir gegen Museen hegen, gegen die Magazine, in denen
die Zunft der Schulmeister ihre Lehrmittel aufbewahrt: die erhabenen
Werke der Meister, ersonnen und erschaffen uns zur Freude und Zier.
Da denkt man daran, welchen Ekel wir vor den gläsernen Labyrinthen
empfinden, in denen die leuchtenden Werke unserer grossen Freunde
eingereiht werden zwischen die Aermlichkeit des biederen Mittelstandes,
die Gemeinheit des Pöbels und die aufdringliche, freche Rohheit des
ruhmsüchtigen Ressentiments, des eigentlichen — »Modernen« Verlassen
wir die gläsernen Scheunen! Die lärmenden Haufen mögen sich darin
tummeln — trotz ihrer werden sie veröden und zerfallen.
Wir sind aber nicht nur Sehende und Empfindende — wir sind
auch Kämpfer. Wir wollen Die Kunst. Wir bedürfen der grossen Aus-
stellungen. Hievon überzeugt uns gerade die Münchener Ausstellung
dieses Jahres. Sie brachte uns einen Sieg im Kampfe um die Befreiung
der Kunst. Dieser Erfolg wäre unmöglich gewesen ohne die bedingungs-
lose Oeffentlichkeit. Allein dem Bestreben, die Anziehungskraft der
Ausstellung zu erhöhen, verdanken wir die erste Sammlung unserer
neuen, ganz jugendlichen, angewandten Kunst. Die Machthaber
der Münchener Kunstbureaukratie beabsichtigten nichts weniger, als
einer eigenartigen deutschen Kunstübung zum Durchbruche zu ver-
helfen, welche die Schönheit der Gebrauchsgegenstände, der Häuser
und Innenräume erstrebt und erwirkt. Sie nannten diese Art von
Kunst »Kleinkunst« — früher schalt man sie »Kunstgewerbe« — und
verwiesen sie in zwei enge Kämmerchen. Sie erschraken nicht wenig,
als plötzlich ein Murmeln umging, dass gerade diese kleinen, hübschen
Dinge in den kleinen, engen Kämmerchen den Werth der ganzen Aus-
stellung ausmachen, die ganze Ausstellung vor dem ästhetischen Areo-
page rechtfertigen, ja zu historischer Bedeutung erheben. Auch wir
wollen davon reden; nicht nur befriedigt murmeln, vielmehr laut und
vernehmlich davon zeugen. Denn es handelt sich nicht nur um die
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 21, S. 813, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-02-21_n0813.html)