Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 22, S. 839
Das Ergebniss der Münchener Kunstausstellung von 1897 (Fuchs, Georg)
Text
die Webschule von Scherrebeck in Schleswig-Holstein ausgeführt hat,
erscheint er noch etwas unsicher. Er trifft zuweilen prachtvoll den orna-
mentalen Charakter (»Schwäne«), schwankt jedoch dann wieder zwischen
malerischen Ideen und eigentlich ornamentalem Stylisieren (»Teichland-
schaft«). Der Natureindruck ist hier nicht kräftig genug zum Motive
umgebildet, es ist noch zu viel Rohstoff darin. Eckmann wird ohne
Zweifel Schule machen, umsomehr ist zu wünschen, dass der ausge-
zeichnete Künstler sich unverdrossen zu stylistischer Sicherheit durchringt.
Hochbedeutsam war von Anfang an für die ganze Bewegung die
Wirksamkeit K. E. von Berlepsch’s, sowohl seine literarische wie seine
productive. Auch in der Ausstellung dominiren seine Arbeiten, schon
weil sie die grössten sind: ein Schreibtisch und drei Bibliothekschränke
aus Buchen- und Zirbelholz. Berlepsch begann seine künstlerische Thä-
tigkeit als Maler. Malerische Wirkung will er auch mit seinen Möbeln
erzielen. Er denkt sie sich in ein bestimmtes Milieu hinein und com-
ponirt sie für dieses gewissermassen als Staffage — so scheint es
wenigstens. Jedenfalls legt er nicht gar so grossen Werth darauf, dass
die Verzierungen sich einfach aus Construction und praktischem Zwecke
von selbst ergeben. Er thut daher oft des Guten zu viel, zu viel in
der Bemalung, zu viel im Schnitzwerke, wobei die Materialwirkung allzu-
oft vernichtet wird und die Möbel, statt beruhigend und heimlich zu
wirken, mehr erschrecken durch ihre Phantastik und Unruhe. Seine
Arbeiten beruhen auf ähnlichem Empfinden wie die schon seit längerer
Zeit so hoch geschätzten Gläser Köpping’s. Diese Gläser sind nicht
zu gebrauchen, sie lassen sich überhaupt nicht unmittelbar als Gläser
erkennen, Zweck und Material sind bei ihnen gänzlich gleichgütig, nicht
minder die Construction. Dem Künstler kam es auf eine gewisse Farben-
sensation an, er wollte einen Ton erzeugen, der als letzter, zartester
und harmonisch verschwebender Klang in eine Einrichtung hineintritt.
Fast durchgängig fällt bei den Malern, welche sich der angewandten
Kunst angenommen haben, diese Neigung auf, den constructiven Zweck
und die natürliche Schönheit des Materials zu übersehen. Mit der
Erstarkung des Stylgefühles und der erweiterten Production wird sich
die Besserung wohl von selbst einstellen. Nennen müssen wir noch:
Fritz Erler (Bucheinbände), Pankok (Spiegel, Sessel), Leuger
(Keramik), die Architekten Dülfer und Fischer (Plafonds und Ofen),
Th. v. Gosen (Petschaft und andere plastische Versuche) und Engel-
hart in Wien, der einen durchaus vornehmen Ofenschirm von braunem
Leder mit eingelassenen, matten Bronzereliefs ausgestellt hat. So ungleich
auch die Leistungen dieser Künstler im Einzelnen noch sein mögen,
man ermisst schon an ihrer Zahl, dass die Bewegung, in der sie stehen,
von Bedeutung ist. Fach- und Kunstzeitschriften haben sich denn auch
bereits in ihren Dienst gestellt, vor allen die von Alexander Koch in
Darmstadt gegründete Monatsschrift »Deutsche Kunst und
Decora-
tion«, welche von October ab erscheinen wird. Diese Zeitschrift hat
sich die überaus wichtige und nützliche Aufgabe gestellt, als Centrale
und Sammelpunkt für die neue angewandte Kunst der Deutschen
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 22, S. 839, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-02-22_n0839.html)