Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 14, S. 535

Schiffer Rejersen vom »Südstern« (Hamsun, Knut)

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Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 14, S. 535

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SCHIFFER REJERSEN VOM »SÜDSTERN«. 535

auf dem »Südstern«, und Rejersen wurde dadurch noch angesehener.
Er bezahlte Platzmiete und Trockenlohn mit diesen Waren und manche
Latzschürze und manche strahlende Busennadel schenkte er den Mädchen.
Ellen Helene fand sich darein, es half ja nichts, mit Rejersen zu streiten.

Und dennoch konnte auch Ellen Helene ihrem Schicksal nicht
entgehen, wie fügsam sie auch war, sie wurde von Jacobine
entthront, diesem feurigen, frohen Kinde, das dort so still und mit inni-
ger Befriedigung umhergieng und Rejersens Fische umdrehte. Warum denn
ewig und immer nur Ellen Helene, sollte damit für einen Mann wie
Rejersen vom »Südstern« alles aus sein? Als im Herbst die Fische
verladen werden sollten, war Jacobine allein bei ihm in der Kajüte
und bekam viele Geschenke vom Fischer, und als sie die Yacht ver-
liess, befahl er zwei Männern von der Besatzung, sie ans Land zu
setzen.

Die Lossage von Ellen Helene war dadurch vollständig voll-
zogen. Jens Olsen, ihr Vater, rückte wegen dieses Streichs dem mäch-
tigen Schiffer auf den Leib, zeigte ihm die Faust und stellte grobe
Fragen an ihn. Rejersen war damals aber keiner, der sich etwas ge-
fallen liess, er zeigte auch seine Fäuste und sagte: »Wenn Du Dich
getraust, mir zu nahe zu kommen, mein guter Jens Olsen, dann sollst
Du Rejersen vom »Südstern« kennen lernen.«

Aber auch Jacobine konnte Schiffer Rejersens flüchtiges Herz nicht
auf die Dauer fesseln. Es war eine Nacht wie diese, ebenso still
und licht, da gieng er auf Deck seines Schiffes auf und ab und hörte
ferne Ruderschläge. Ein Mädchen, das auf Eierlesen draussen gewesen
war, kam angerudert.

»Boot hailoh!« rief Rejersen.

Sie hielt die Ruder in die Höhe und lauschte.

»Leg hier an, Schatz,« sagte er.

»Bin nicht Euer Schatz,« antwortete es vom Boot.

»Ich kenne Dich aber!« sagte Rejersen. »Hast Du Eier im
Boot?«

Da kam das Boot näher.

»Ja, wenn Ihr ein paar Eier haben wollt, so könnt Ihr schon
ein paar Stück bekommen«, sagte das Mädchen.

Aber da sprach Rejersen kein Wort mehr, sondern schwang sich
in sein Heckboot hinab und von da hinüber zu dem Mädchen.

»Ein guter Bekannter, ich, Rejersen, bin es,« rief er dann.

Er nahm ihr die Ruder fort und ruderte sie zu den Bootschuppen
hin. Niemand zu sehen, die Nacht war warm und geheimnisvoll.

»Wir können gut gleich das Boot in den Schuppen setzen,«
sagte Rejersen, als sie ans Land gekommen waren.

Und das Mädchen erwiderte:

»Ihr seid allzu dienstwillig!«

Aber dies, dass sie das Boot hineinsetzen sollten, sagte er nur
mit einer bestimmten Absicht, und er hatte seine eigenen Gedanken
dabei. Hoho, Du böser Rejersen, Du dachtest Dir so mancherlei dabei,

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 14, S. 535, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-02-14_n0535.html)