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Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 16, S. 604

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604 HUCH.

trotzigen Antwort ab. Im Grunde war das nichts als eine versteckte
Bitte, man möchte sie fangen und zähmen, aber die Männer in ihrer
Umgebung waren keine grünen Jägersleute mit Hifthorn und Fangseil,
oder wenigstens, wenn sie jagen wollten, giengen sie hinaus in Wald
und Heide, stellten den Damen der Halbwelt nach und hetzten sich
zu Tode um eine grausame Sängerin; im Salon wollten sie keine
Leidenschaften, sondern graziöses Aneinanderklingen gläserner Herzen,
ohne dass ein Tropfen verschüttet würde. Das war das kleine Trauer-
spiel ihres Lebens, was aber eigentlich nicht zur Sache gehört, da ich
nur von dem Prinzen und Reine sprechen wollte, die doch die hold-
seligste von allen war. Sie trug ihren Kopf, als umspannte ihn das
Diadem einer Prinzessin und gieng, als trügen Pagen ihre Schleppe.
Wenn das zum Spiel auch eben nicht geeignet war, so war doch
diese stolze Unbeholfenheit rührend, zumal sie sich ihrer innigst zu
schämen schien.

Seit diesem Tage war es offenbar, dass Prinz Asche sterblich in
meine Nichte verliebt war. Während sie in ihrer heiteren Kühle ver-
harrte, hatte er zwar seinen stillen Eigensinn darauf gesetzt, sie sich
zuzuwenden und sich dabei auch genug erregt, war aber doch Meister
seiner selbst geblieben. Nun er ihre Zuneigung empfand, verlor er die
Besinnung, das heisst auf seine Weise, so dass die Gedankenmühle in
seinem Kopfe sich noch reissender drehte als gewöhnlich, und durch das
Geschwirr der Räder nicht ohne Lebensgefahr hindurchzukommen war.
Zu verwundern war es freilich nicht, dass ihre Nähe ihn rasend machte.
Ihre ganze Gestalt, von Kopf bis zu Füssen, schien in Zärtlichkeit
gelöst zu sein, eine schmelzende Müdigkeit dämmerte in ihren Augen,
auf ihren Lippen, in allen ihren Bewegungen, und sie mochte gehen
oder stehen, thun oder sprechen was sie wollte, es war immer, als
neige sich ihr Körper ein wenig dahin wo er war, unwillkürlich, wie
gewisse Blumen es nach der Sonne zu thun pflegen. In dieser Zeit
begab sich nun das, was eigentlich die Veranlassung zur Maiwiese war,
nämlich dass ein junger Officier, der bei Hofe wohlbeliebt gewesen war,
sich mit einem Mädchen aus niedrigem Stande das Leben nahm, indem
er erst sie und dann sich durch einen Revolverschuss tödtete. Er hatte
ihr wohl anfänglich in unreiner Absicht nachgestellt, sich dann ernstlich
in sie verliebt und an der Möglichkeit verzweifelt, sie in Ehren zu der
Seinigen zu machen. Hierüber wurde hin- und hergesprochen, die
Männer hielten ihn im Grunde für einen dummen Teufel, sprachen
aber nur von der Unmöglichkeit glücklicher Ehen zwischen höheren
und niedrigeren Ständen; von den Frauen beklagten einige das Liebes-
paar, andere sahen das Ganze nur für verdammenswerte Hitze der
Sinne an, und alle waren unsicher, weil sie gewohnt waren, das
Losungswort von Prinz Asche zu empfangen, der aber diesmal vermied,
sich zu äussern. Da mir nun des Geredes zuviel wurde und ich ohnehin
anfieng, mir Sorgen zu machen, was aus dem Prinzen und Reine
mit ihrer unüberlegten Verliebtheit werden sollte, nahm ich schliesslich
das Wort und sagte ein langes und breites über die Liebe, was alles

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 16, S. 604, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-02-16_n0604.html)