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Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 17, S. 641

Text

Wiener Rundschau.


15. JULI 1898.


WIENER FREIE BÜHNE.*)

Eine in anderen Grossstädten glänzend erprobte Institution
darf in Wien nicht länger fehlen.

In Berlin hat die langjährige Thätigkeit der »Freien Bühne«
niveauhebend gewirkt. Nicht zum mindesten ist es auf diese
zurückzuführen, dass dort ein Vorsprung auf dramatischem Ge-
biete erreicht wurde, während bei uns noch immer instinctive
Angst vor Werken herrscht, die eine andere als die hergebrachte
Verkörperungsweise verlangen.

Kein Concurrenz-Unternehmen soll den Wiener Theatern
erstehen, sondern eine künstlerische Hilfsaction für sie alle ein-
geleitet werden. Die Berliner Theater-Directoren haben den
Wert eines solchen Unternehmens sofort erfasst und unter-
stützen es wohlwollend. Es ist ihnen eine erwünschte Versuchs-
bühne. Das Publicum strömt den Aufführungen, welche dort
die »Freie Bühne« von Zeit zu Zeit veranstaltet, reichlich zu und
wirkt mit, wenn es gilt, neuen Talenten den Weg zu ebnen.

Eine »Wiener Freie Bühne« hat naturgemäss eine noch
grössere Aufgabe vor sich, als sie die Berliner zu erfüllen hatte,
weil unsere Bühnenzustände künstlerisch hart an die Grenze des
Verfalles gerathen sind.

Zum Wesen der »Freien Bühne« gehört, dass sie Werke
von noch unbekannten Talenten vorführe, für welche den Bühnen-


*) Anmerkung der Redaction: Wir sind in der Lage mitzutheilen,
dass die Vorarbeiten für die Schaffung einer »Freien Bühne« in Wien im Zuge
sind und hoffentlich bald zu dem gewünschten Resultate führen werden.

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 17, S. 641, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-02-17_n0641.html)