Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 17, S. 656

Jakob Böhme (Thomassin, Ch. v..)

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Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 17, S. 656

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656 THOMASSIN.

Keimes) nothwendig ist. Der Theosoph hat selbst angegeben, dass er
viel hoher Meister Schriften gelesen (Aurora 10, 27), er bemerkte auch,
dass er ihre »Formula« beibehalten (12, 12, 13) und die Kenner
alchimistischer Literatur haben gefunden, welche Meister auf ihn ein-
gewirkt haben.

Überdies gebraucht er mit Vorliebe zu seinen Erklärungen die
alchymistischen Bezeichnungen »Mercurius« und »Sal nitri« — aus
welchem sein »göttlicher Salliter« wird. Der »dünne Schwefelgeist«
als »alchymistische, geistige Quintessenz« ist ihm der Quell aller
»Beweglichkeit und Begreiflichkeit«. »Er ist ein giftig, feindig Wesen
und also muss es sein, sonst wäre keine Beweglichkeit, sondern alles
ein Nichts und es ist der Zornquell die erste Urkund der Natur«.
Aber »Mercurius, Sulphur und Sal« sind nach Böhme im himmlischen
Wasser, in der »himmlischen, göttlichen Wesenheit, gerade so wie
nach alchymistischen Principien die »Feuermatrix« eine »Wasser-
matrix» gebären muss, damit der Process vollendet wird und wie
auch Paracelsus schon von der »matrix aquae«, dem lebendigen »Ele-
mentum aquae«, in welchem das Verbum Domini fiat ist, oder dem
»Aquastur« spricht. Nach Art des alchymistischen Processes erklärt
Böhme den Process des Werdens und der Entwicklung mit folgenden
Worten: »Alle Wesen urständen vom Feuer. — Wiederum wisset ihr,
dass im Feuer und Wasser alles Leben stehet. — So ist nun das
Feuer die erste Ursache des Lebens und das Licht die andere Ursache
und der Geist (Wasser) die dritte Ursache und ist doch ein Wesen,
welches sich in einen Leib schliesset und offenbaret und also mit dem
Suchen findet. Aus dem Lichte entstehet die rechte Wesenheit, denn
es ist eine Erfüllung des Willens, das Wasser entsteht aus der Sanft-
muth des Lichtes; die Sanftmuth ist ein Wesen des Feuers, eine
Löschung des Grimmes und eine Leihlichkeit des Feuers, — und
dieses (geistige) Wasser ist des Lichtes Erfüllung in seinen Begehren.«
(40 Fragen von der Seele. Fr. I. 209 fgg.)

So finden wir schon bei Böhme das feurige Begehren als Ur-
sache aller Dinge, aller Unterscheidung. Aber dem Begehren geht die
Idee vorher; indem sich Gott in der ewigen Idee beschaut, wird sein
Wille nach der Realisation des Möglichen begehrend und dadurch
erwacht die ewige Natur, die bisher in Gott verborgen war. Der
schaffenden Kraft des Begehrens entspricht im Physischen das Feuer.
So ist auch das erste Princip aller Schöpfung für Böhme das Feuer,
das »Naturcentrum«, das »Feuercentrum«. Dem Drang zur Ver-
äusserlichung steht aber ein Drang zur Verinnerlichung entgegen und
so tritt der Kampf in den Lebensprocess der Gottheit, der im Auf-
blitzen des Lichtes oder Geistes beendigt wird, worauf die Ordnung
in der Realisation des Idealen erfolgen kann. Wir finden diesen Process
noch genauer in Böhmes Lehre von den »sieben Quellgeistern« aller
Naturgestalten dargestellt, durch die wir an die kabbalistischen Saphirots
und an die indische Siebentheilung des Universums erinnert werden.
Der erste dieser »Quellgeister« ist das nach innen gerichtete Begehren,

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 17, S. 656, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-02-17_n0656.html)