Faksimile

Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 18, S. 695

Text

PANISCUS.
Hunc lucum tibi dedico, consecroque Priape!
Von OSCAR A. H. SCHMITZ (Lugano).

»Zu lang bin ich geirrt in der Oliven
spärlichem Schatten; endlich find ich Dich,
der Daphne schwarzen Baum, die dichten Locken
über der Grotte Eingang neigend! Aglaë,
kann die Plantane, kann die Cyparisse
in tieferes Dunkel unseren Kuss vergraben?
Entflieh dem heissen Mittag, Aglaë,
komm, hier ist alles feucht und kühl, es glänzt
in blauem Leuchten das Gestein! So muss ich hier
der matten Glieder Durst und träge Brunst
noch heisser fühlen? Aglaë! Den Namen,
den süssen, ruft ein freundlich Echo mit.

Auf meiner Brust der Haare rauh Gewächs
ist wirr und matt, und harrt, dass es der Thau
von Deinen Küssen frische, dass Dein Leib,
wie weisse Rosen zwischen dunkeles Moos
in meine Arme sinke Aglaë.

Sieh, eine kühle Welle rauscht herein
leuchtend und bäumt sich auf im Doppelstrom;
schlank wachsen weisse Glieder vor mir auf
und tragen einen glatten Leib, die Brüste
seh’ ich aus Wasserwirbeln werden und ein Hals
reckt sich empor und trägt ein lachend Antlitz,
Dein Antlitz, Aglaë Ist dies Dein Haar,
das dunkel sich des Lorbeers Krone mengt,
der nächtig in die kühle Grotte bricht?
Ist dies Dein Arm, der strahlend ob dem Haupt
sich ins Geäste schlingt, den leichten Leib
vom Boden hebt und wiegt, so dass der Fuss
die Erde kaum, die schwere, rühren mag,

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 18, S. 695, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-02-18_n0695.html)