Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 20, S. 759
Text
Von WILHELM SCHÖLERMANN (Wien).
Aus Paris traf die Kunde ein, dass Félicien Rops am ver-
gangenen Mittwoch gestorben ist. Den Näherstehenden kam die Trauer-
botschaft kaum unerwartet. Ein unheilbares Nervenleiden drückte den
Unermüdlichen schon lange schwer nieder. An der Riviera suchte er
Linderung. Es war zu spät. —
Über Rops ist viel geschrieben worden, in Frankreich, in
Belgien und zuletzt auch vereinzelt bei uns. Aber so recht kennen
gelernt haben wir ihn eigentlich doch nicht. Es schwebte immer so
ein merkwürdiges Geheimnis über diesem Menschen, dessen blossen
Namen man nur mit einer vorsichtigen Zurückhaltung aussprechen
hörte. Als die graphische Ausstellung im Künstlerhause vor drei Jahren
einige seiner feinsten Blätter ausstellte und die Kunstakademie sogar
den Muth hatte, zwei davon anzukaufen, darunter das zart colorierte,
den Klatsch zwischen fünf flämischen Kaffeeschwestern ironisierende
Blatt »le Scandale«, wurde die Neugier wohl vorübergehend geweckt;
aber das Interesse erstarb bald wieder. Diejenigen, die mehr sehen
wollten, konnten das in Paris besser finden. Nur ein paar junger Damen
aus der Wiener Pluto- und Aristokratie (wie mir ein hiesiger Kunsthändler
selbst erzählte) fragten so unter der Hand nach einzelnen Sachen.
Aber das waren »so rare Blätter«, dass die belgischen oder Pariser
Kunsthändler und Liebhaber sie nicht hergeben wollten. Nicht für
Geld und nicht für gute Worte. — —
Félicien Rops ist ungarisch-flämischer Abkunft. Als junger Aristo-
krat lebte er eine Reihe von Jahren ohne ein anderes Ziel zu haben,
als den ihm in den Schoss gefallenen Reichthum so schnell wie möglich
wieder loszuwerden. So stürmte er von einem Abenteuer zum anderen.
Zuletzt verfiel er auf die geniale Idee, mit seiner eigenen prachtvollen
Dampfyacht das mittelländische Meer zu durchkreuzen. Wenn die tief-
blaue Woge am scharfen Bug des Schiffes in schneeigen Cascaden zu
beiden Seiten hoch aufschäumte oder nachts vom Heck aus einen
breiten Streifen im Kielwasser zog, quirlend und leuchtend vom Meeres-
gefunkel, so jauchzte seine Künstlerseele auf in unendlichem Jubel.
Auch beim Gewitter, wenn der Orkan durch die Takelage heulte und
die See in stürzenden Katarakten über die Wanten spülte, blieb er an
Deck. Mensch und Natur fanden sich im Tosen der Elemente.
Aber das konnte nicht ewig so dauern. Da er seine lustigen
Wikingerfahrten selten allein unternahm, vielmehr oft einen ganzen
Harem von Odalisken, im Occident und Orient geraubter »Halb-
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 20, S. 759, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-02-20_n0759.html)