Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 20, S. 760
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göttinnen« mit sich führte, so wurde diese kostbare Ladung mit der
Zeit etwas theuer. Dem Lustdampfer gieng eines schönen Tages der
Dampf aus und Rops das Geld. Eine »Königin von Cypern«, die man
hätte anpumpen können (wie weiland »der Pfalzgraf vom Rheine«)
gab es leider damals nicht mehr und so ging’s den »zurück nach
Venedig«.
Arm kam der Lebemann nach Paris. Was nun? Seine Feuer-
seele war zu stark und zu edel, um einerseits im Sumpf des Ver-
gnügens zu verflachen oder ganz in Verzweiflung unterzugehen. Er
wurde ernst, überlegend. Mit einigen Gleichgesinnten wollte er einen
Verein der Aquafortisten gründen. Die Radierkunst sollte selbständig
werden, nicht nur reproducierend, wie sie die damaligen französischen
Meister betrieben. Aber die Mittel reichten nicht hin und der Zu-
sammenhang fehlte. So zerschlug sich die Sache nach zwei Jahren
vergeblicher Mühen. Jetzt stellte sich Rops ganz auf eigene Fusse.
Bescheiden begann er, aber zäh und geduldig, obwohl nicht immer
gleichmässig arbeitend, sondern sprungweise Vorstösse machend, kam
er in die Höhe. Seine Arbeiten hier im einzelnen zu verfolgen, würde
zu weit führen.
Seine Lebensweise blieb originell und anregend. Als leiden-
schaftlicher Blumenfreund liebte er die Haarlemer Zierzwiebelgewächse
über alles. Er pflegte die seltensten Sorten. Tagsüber unzählige
Cigaretten rauchend, cultivierte er seine Haarlemer Blumenzwiebeln und
machte einen gelegentlichen Boulevardbummel. In der Nacht erst
wurde radiert und geätzt.
Die Franzosen haben eine hübsche und nachahmenswerte Sitte,
die darin besteht, über einen und denselben Künstler oder Dichter
von zeitgenössischen Schriftstellern Aufsätze, Gedichte und Sprüche zu
sammeln und sie vereint herauszugeben. So haben verschiedene Pariser
Zeitschriften (u. a. »La Plume«) das auch mit Rops und seinem Werk
gemacht. Charles Baudelaire widmete ihm einen begeisterten Dithy-
rambus.
Comme je l’aime
Ce tant bizarre Monsieur Rops.
Qui sans être un grand prix de Rome
Donc avait un talent haut comme
La pyramide de Cheops.
Dem inneren Wesen nach ihm vielleicht am wohlverwandesten
ist Barbey d’Aurevilly. Mit ihm war Rops zeitlebens befreundet. Will
man Vergleiche ziehen, so könnte man sagen, dass Félicien Rops
Barbey, Baudelaire und Maupassant bis zu einem gewissen Grade in
sich vereinigte, und dass von älteren Meisterradierern am ehesten
Francisco Goya an seiner Wiege Pathe gestanden haben könnte.
Mit dem capriciösen Spanier berührt er sich in der sinnlichen Glut
und subtilen Eleganz der Form und in der furchtbaren Dämonie seiner
Einbildungskraft. Doch alle derartigen Vergleiche hinken mehr oder
weniger. Ohne Noth sollte man sie eigentlich nicht heranziehen. Einen
bildenden Künstler lernt man doch nur direct aus seinen Werken kennen.
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 20, S. 760, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-02-20_n0760.html)