Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 20, S. 761

Rops (Schölermann, Wilhelm)

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Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 20, S. 761

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ROPS. 761

Aus seinen Werken? Aber Rops’ Werk kennen zu lernen, ist
ziemlich schwer. Es lebt im Verborgenen und die wenigen glücklichen
Besitzer hüten eifersüchtig ihre Schätze.

Man darf ihn ja kaum vor keuschen Ohren nennen, diesen
Erotiker par excellence, der vor nichts zurückschreckt und dessen
gewaltige Phantasie von grandioser Bosheit und faunischem Hohn-
lachen begleitet wird. Sein ganzes philosophisches Menschheitsproblem
geht ohne Rest auf in den vier Buchstaben Ερωσ. Seine Weiber sind
keine Madonnen und keine Walküren. Sie lassen sich anbeten, aber
nicht von Heiligen; sie reiten wohl auch, aber nicht auf Schlacht-
rossen, sondern auf einem Mutterschwein. Das Hohelied der Erotik
bis zum Wahnwitz, das ist Rops’ Lebenswerk, von dem der grössere
Theil apokryphisch ist und immer bleiben muss. Seine rücksichts-
losen Darstellungen entspringen aber einem so markig-ernsten Boden,
dass sie jede weichliche Lascivität als Selbstzweck ausschliessen. Darum
durfte er es auch wagen, in die furchtbaren Abgründe des Geschlechts
hinabzutauchen, mit ihren seltsam schaurigen Verirrungen und mark-
zerfressenden Lüsten. Darum holte er leuchtende schwarze Perlen aus
der Tiefe empor, wo andere nur Schlamm gefunden hätten. Überall
hin verfolgte er die wollustgebändigte, fieberdurchschüttelte Creatur,
von der wüstesten Bestialität und Sodomie bis zum feierlichen Sata-
nismus heiliger Nonnen.

Es ist eine auffallende und überall nachweisbare Erscheinung,
dass bei im Niedergang befindlichen Völkern (wie gegenwärtig den
romanischen Racen) die Männer den Frauen im körperlichen Verfall
vorauszugehen scheinen. Das Weib wird mehr und mehr zum blossen
Geschlechtsthier herabgedrückt, aber es erhebt sich grade dadurch
zu einer dämonischen Elementargewalt über das Männergeschlecht.
Physisch für den Sinnengenuss geschaffen, lebt und erhält sich das
Weib in der Sittenverderbnis länger als der Mann. Es strotzt in
seinen unersättlichen Lüsten. So hat es auch Félicien Rops dar-
gestellt. Strotzend von Animalität steht es da, »impérieuse«, wie aus
Bronze gegossen; zuckend verröchelt das ausgemergelte Castraten-
geschlecht an diesen furchtbaren Hüften. Das räthselhafte Sphinx-
geschlecht peitscht die Männer zu immer verzehrenderen Sünden auf,
trinkt ihnen lachend das Blut aus den Adern und sättigt sich mit der
letzten Lebenskraft von Mark und Hirn. Über die morschen Reste
seiner Opfer schreitet es dann mit einer Mischung von tigerhafter
Gier und grenzenloser Verachtung hinweg. So unterliegt alles dem
einen bösen Princip, das sich selbst dem langsamen Untergang weiht:
der Courtisane.

Drei dieser Radierungen haben wir hier sehen können. »Volupté«
(ein decorativer Entwurf), »La foire aux Amours« (Liebesmarkt)
und »Incantation«. Auf der letztgenannten sieht man einen Nekro-
manten in seiner Klause an einem grossen Tisch sitzend, rings von
kabbalistischen Werkzeugen und Emblemen umgeben; er blättert in
einem alten Zauberbuche, indessen aus dem vor ihm stehenden Kreuz-

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 20, S. 761, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-02-20_n0761.html)