Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 1, Nr. 3, S. 57

Die Alkestis des Euripides (Hofmannsthal, Hugo v.)

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Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 1, Nr. 3, S. 57

Text

HOFMANNSTHAL: DIE ALKESTIS DES EURIPIDES.

Unsichtbar, grauenvoll, auf stummen Flügeln
Mit Todesaugen hiengen in der Luft
Hörten’s und wehten ihren jungen Leib
Mit leisem Schauer an, und als er wild
In Angst die Arme um sie klammert,
Umschlang er eine Todgeweihte schon.
Sie stirbt, eh’ diese Sonne sinkt und ich
muss dieses Haus vermeiden, ich, ein Gott,
Eh’ noch der Hauch des Todes mich entweiht.
Denn schon durch’s Gartenpförtchen tritt er, dort,
Der grauenvolle, ein, der Todesgott,
Der diese Frau die dunklen Wege führt.

II. DER TOD DER KÖNIGIN.

Der König Admet.

Die mich geboren, hass’ ich! Meinen Vater
Will ich nicht anseh’n. Ihre Liebe ist
Ein Wort im Wind, die Deine Brot und Wein,
Nein, Blut, vergossen, meinen Durst zu löschen,
Aus Deinem Herzen Deiner Jugend Blut!
Wie Vater nicht und Mutter nicht hast Du
An mir gethan! Meinst Du, ich trau’re d’rum
Ein Jahr um Dich? Was kümmert mich die Zeit?!
So lang’ ich leb’, ist Trauer meine Herrin,
Setzt sich mit mir zu Tisch, geht hinter mir
Und steht des Nachts an meinem leeren Bette
Und sieht mich an mit eisernen Augen, stumm.
Und manchesmal schlaftrunken wähn’ ich dann
Du stündest da und strecke meine Arme
Nach ihr und schlafe selig lächelnd ein,
Bis sie mir ihre kalte Hand aufs Herz
Hinlegt und schauerlich der Wahn zerrinnt.


Sonst war mein Haus mit Fackeln, Flötenschall
Und Blumenkränzen tönend angefüllt
Und seine Fugen bebten von Musik!
Jetzt steht es hohl und todt, ein Sarg der Lust.
Wie Früchte innen voller Moderstaub!


O komm’ im Traum nur manchesmal zu mir!


Hätt’ ich des Orpheus wilden, süssen Mund,
Hätt’ ich sein Saitenspiel, d’rauf Lust und Leid
Und Sehnsucht und Verführung zauberhaft
Anstatt der Saiten aufgezogen sind,
Dass ich den Schattenkönig und sein Weib
Persephoneia, rührend, aus der Nacht
Dich rettete! Ich stieg’ hinab und keiner
Von den Dämonen sollte mir verwehren,
Dich heimzutragen an das Licht, Geliebte!
So bleib’ ich hier am öden Ufer steh’n,

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 1, Nr. 3, S. 57, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-03-01-03_n0057.html)