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sie die Wunden ihrer Seelen heilen sollten
— und sie standen verwundert da unter
der todesgleichen Ruhe seiner Augen, halb
von dem verhüllten Räthsel seines Ge-
dankenlebens erzitternd, halb mitleidig, ver-
ächtlich mitleidig, ob seiner freierwählten
Armut. Dieses ist die Geschichte, so wie
sie sich ihm in den wachen Träumen der
Nächte malte, während der ersten Jahre
seines Eremitenlebens, so wie sie in dem
noch nicht erloschenen Scheiterhaufen des
Leidens brannte, mit der Farbe von Rosen,
die die Flammen erfassen, mit dem Dufte
von Räucherwerk und schwarzen Erd-
schollen, mit Lauten der Thränen und
keuchenden, tiefen Worten — und all dies
mit des Himmels stahlblauer Kühle und
sternfunkelnden Weiten dahinter. Es ist
auch die Geschichte eines Weibes.
Carneola hiess sie, der Blick ihrer
Augen hatte etwas von den schwarzen
Schmetterlingen, die über bunter Freude
flattern, ihre Lippen schlossen sich nie
ganz, wenn sie verstummt war, sie bebten
wie über einem zurückgehaltenen Worte,
einem Worte, das Lachen in Weinen ver-
kehrt hätte; ihre Hände verschränkte sie
gerne in Ruhe, und sie leuchteten schmal
und bläulichweiss gegen den Purpursammt
des Schosses.
Sie trug eine Tracht, deren Unterkleid
dicht an den schön vorgeneigten Hals an-
schloss, obgleich es nicht länger so Brauch
war; der Überwurf liess die Seiten mit den
herrlichen Linien der Mitte und der Hüften
frei und wurde über der Brust von einer
Spange zusammengehalten, mit einem
rothen Stein darin, der im Lichte spielte
wie ein Tropfen Blut aus dem heiligen
Kelche. Über der Stirne hatte sie ein
schwarzes Tuch mit Goldrand, da hervor-
glänzend, wo der Haaransatz seinen Bogen
wölbte und sich in die Falten an den
Wangen versteckend.
Und um sie leuchtete und lachte des
kleinen Königreichs Majorca munterste
Freude, in müssiger Ruhe zur blauen Luft,
zwischen den Laubmassen der Bäume
emporblickend, die noch gleichsam die
Form der gebietenden Bewegung der
Schöpferhand trugen, in Ruhe hinter hohen
Gartenmauern schlummernd, so weiss und
warm von der Sonne, dass der Wind, der
ihnen zu nahe kreiste, emporgewirbelt
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wurde und wie Rauch über die blühenden
Ranken der Kronen zerstreut Dahinter
streckten des Schlosses runde Thürme
ihre wachsamen Köpfe mit den spitzigen
Mützen vor und blickten hinaus in die
helle blaue Seide des Meeres — sonst war
es eine winkelige Masse von verzierten
Thoren und Dachriesen, die im Mittags-
licht eine Härtung von altem Gold an-
nahmen, ein Palast, so wie ihn ein Riesen-
kind aus Muscheln und glitzernden Steinen
im Spiel am Strande erbaut haben mochte.
Und man spielte dort drinnen, die
Guitarre schlug gleichsam einen bebenden
Ring um Köpfe, die sich zu Lachen und
Geflüster zusammenneigten, die vergoldeten
Kugeln der Jongleure schienen die rechten
Zeitmesser, wie sie emporgeworfen wurden
und hinabfielen und abermals hinaufge-
schnellt von behenden Fingern; wenn
der Wind stark ward und anwuchs und
seine blasenden Lippen an die Mauern
drückte, da geschah es nur in scherzhafter
Drohung, gleichsam wie um zu warnen:
bleibt drinnen, ihr Kinder, wärmt euch
an euren Blicken, drückt euch die Hände,
bleibt immerdar!
Es gab keinen Feind auf den Inseln,
mit dem man Krieg führen konnte, auch
just kein Wildpret zu jagen, aber man
wollte Falken haben wie die anderen, und
man lehrte sie darum nach Fledermäusen
zu schnappen, die aus ihren Schlupfwinkeln
gescheucht wurden und herausschossen,
vom Lichte geblendet, in Wendungen, so
spitzig wie Peitschenschläge; oder man
liess die Tauben los und vergnügte sich
daran, ihre rosigen Füsse an den Körper
gepresst zu sehen, ihre weichen Flügel
die Luft liebkosend und ihre blauen
Schatten auf dem Boden, wenn sie Schutz
in den Vogelhäusern suchten. Oder man
liess sich in Liebe verstricken, in fliehende
oder gefangene Träume einweben, in
wechselnde kleine Sorgen und Triumphe,
so wie man Freude an den kunstvoll ge-
flochtenen Reimen der Lieder fand, mit
einem Ton schönen Schmerzes hie und da.
So verliebte sich Raymon eines Abends
in Carneola, als er des Ganges seiner
letzten Herrscherin müde geworden; ein
wenig zu breit und zu schwer war er,
und nie zeigte ihre Gestalt jene Ruhe
der Linien, die das ganze erwartungs-
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