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Vorzimmer blicken. Unser junger Weg-
weiser drückt auf eine Klingel, und im
nächsten Augenblick öffnet sich eine Thür
hinter dem Vorzimmer.
Durch die niedrige Thüröffnung tritt
eine grosse kraftvolle Gestalt. Strindberg
selbst steht da, vom Sonnenlicht über-
gossen, eine breite Riesengestalt, mit
mächtiger Denkerstirne, über der das
dunkel bleigraue Haar einen Feuerherd
flattender Flammen bildet. Er steht
da mit einem wohlwollendem Lächeln
um den kurzen, emporgestrichenen
Schnurrbart.
»Sahst Du, welcher Glanz um ihn
war? Und wie gut er aussah?« fragte
Atte mich später.
Ja, Strindberg ist noch immer dieselbe
kräftige unerschütterliche Renaissance-
gestalt, die er zu der Zeit war, als er
mitten im Kampfgewühl stand und beinahe
einsam kämpfte, um dem Jungen Raum
zu bereiten, das emporwachsen wollte.
Er hiess uns willkommen, einfach und
freundlich. Wir liessen uns nieder, und
ein freies ungezwungenes Gespräch war
bald im Gange.
Wir begannen mit gemeinsamen Be-
kannten aus Paris und Berlin. Strindberg
freute sich zu hören, dass es ihnen gut
gieng und sie endlich Anerkennung ge-
funden.
Strindberg brachte jedoch selbst das
Gespräch auf sich und seine literarischen
Arbeiten. »Sehen Sie hier,« sagt er und
reicht mir eine Zeitschrift, »in dieser
Nummer habe ich meinen letzten Artikel
über Alchimie publiciert und damit Ab-
schied von meinen Freunden, den Alchi-
misten, genommen.«
Es ist die Decembernummer 1898 der
L’Hyperchimie, Revue Mensuelle d’ Al=
chimie, a’Hermétisme et de Médicine
Spagyrique. Strindberg schlägt selbst das
Heft auf und zeigt mir seinen Artikel:
»Les Nombres Cosmiques«, indem er
durch eine Anzahl Beispiele zu beweisen
sucht, dass die Alchimisten des Alterthums
eine ebenso genaue Kenntnis des speci-
fischen Gewichtes der Körper gehabt haben
müssen, wie irgend ein moderner Mann
der Wissenschaft.
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Dann kommen wir auf die Gold-
macherei. Strindberg erzählt, dass das
auf alchimistischem Wege aus Silber her-
gestellte Gold allen Untersuchungen stand
gehalten hat und nunmehr sogar im
amerikanischen Münzamt in Washington
angenommen wird.
Er zieht eine seiner Schreibtischladen
heraus, sucht ein Couvert hervor, und
entnimmt demselben eine kleine vierkantige
Scheibe. Das sind zwei Gramm Gold, her-
gestellt von der amerikanischen Argen-
taurum-Gesellschaft. Er zeigt uns auch
seine eigenen Versuche, Gold herzustellen.
»Aber jetzt kümmere ich mich nicht
mehr um die Goldmacherei,« erklärt er.
»Ich lasse die anderen weiterarbeiten. Ich
selbst werde mich in Zukunft ausschliess-
lich der dramatischen Dichtung widmen.
Neben ihm auf dem Tische liegt ein
dicker Stoss Manuscripte. Auf dem obersten
Blatt steht mit grossen verzierten Buch-
staben: Drama.
Strindberg beschäftigt sich augen-
blicklich mit fünf, sechs verschiedenen
Plänen zu Schauspielen. Bald arbeitet er
an dem einen, bald an dem andern.
Eines dieser Schauspiele ist jedoch
vollendet. Es ist ein modernes Märchen-
spiel, voll Handlung und Leben, aber mit
einem mystisch-religiösen Inhalt, den Ideen
entsprechend, denen der Dichter jetzt
huldigt.
Es ist voll Hexerei und Gespenster-
erscheinungen. Man sieht, wie eine Person
von einem unsichtbaren Gericht abge-
urtheilt wird. Die Stühle werden von un-
sichtbaren Händen zum Tische gerückt,
die Lichter auf dieselbe geheimnisvolle
Art entzündet, die Keule, die mitten auf
dem grossen Gerichtstisch liegt, erhebt
sich von selbst und fällt den entscheidenden
Schlag.
Der letzte Act spielt im Fegefeuer —
»Im Wartesaal«, wie Strindberg es ge-
nannt — und Satan geht umher, nicht
als lächelnder Mephistopheles, sondern als
der strenge Zuchtmeister mit Augengläsern
auf der Nase und dem Bakel in der
Hand — Swedenborgs Satanas corrigens.
Strindberg erzählt in kurzen hastigen
Zügen den Hauptinhalt dieses seines neuen
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