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pikanten Gesichtchen so etwas Interessantes,
so etwas Düsteres. Ja, »die Leute mit
zusammengewachsenen Brauen sterben von
Mörderhand« — das ist ein Volksaber-
glaube, so dumm wie jeder andere, aber
Gustav kennt ihn, und seine süsse, kleine,
dumme Minna kennt ihn auch.
Manchmal macht sie sich interessant
damit, heuchelt Todesahnungen, Gleich-
gültigkeit gegen das Ende und liebt doch
das Leben, so heiss — so heiss —
Wenn sie nur nicht die Schrulle hätte,
nur von einem geistvollen, sehr geist-
vollen Mann geliebt sein zu wollen!
Eine sehr unbequeme Laune bei einer
so hübschen Frau!
Gustav Wendlandt ist im Kreise seiner
Collegen als feiner, geistreicher Kopf be-
kannt und beliebt; aber es geht ihm
seltsam. So oft er in das blaugelbe Gemach
mit dem Tigerfell tritt, ist es, als ob
hinter seiner Stirn ein Licht ausgelöscht
würde.
Dunkelblaue, sonderbare Ornamente
ziehen sich durch die schwere, gelbe Seide
der Vorhänge. Die Sonne glüht hindurch
und wirft einen warmen, gelben Goldton
über das tiefbrünette Gesichtchen. Kalt
und hart unterbrechen die blauen Farben-
töne diese Glut in bizarrem Contrast.
Wie oft hat er diese Betrachtungen
nun schon angestellt! Es ist wirklich
nicht geistreich, immer wieder darüber
nachzudenken!
»Ach Minna — küsse mich! Lege
nur ein einzigesmal Deine Arme um
meinen Nacken, lass mich die Glut fühlen,
die das brennende Roth Deiner Lippen
mich ahnen lässt. Lass mich dem Klopfen
Deines Herzens lauschen! An Deinem
zarten Halse pochen die heissen Pulse
Deines Lebens. Mir ist, als ob dieser
Herzenston die Glocke Deiner Seele sei,
die mir ein Ave Maria läutet. Ein Segens-
gruss, ein Weiheton für unsere junge,
heilige Liebe ist mir Dein Herzschlag.« —
Sie duldet, dass seine Lippen die
Stelle streifen, die an ihrem zarten Halse
auf und ab zittert unter den Wogen des
ganz in Erwartung fiebernden Blutes.
Die Liebe — wird die Liebe ihr nun
ein Mysterium enthüllen, einen ungeahn-
ten Genuss, so gross, so süss, wie ihn
die Ehe gar nicht kennt?
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Dieser geistreiche Mann, dieser Schrift-
steller und Dichter wird gewiss auf eine
ganz andere, auf eine geheimnisvolle,
neue, ungeahnte Art und Weise zu lieben
verstehen!
Er beugt sich über ihr Lager und
schliesst den zarten, nervösen Frauen-
körper fest in die Arme. Er legt seinen
Kopf mit auf ihr Kissen und athmet in
durstigem, heissem Begehren den Duft
ihrer Haare, ihrer mattbraunen, klaren
Haut. —
»Wie süss bist Du Minna — wie un-
sagbar süss!« —
Er ist ganz betäubt von der Wonne,
mit der ihn ihre Hingabe erfüllt. Den be-
obachtenden, erwartenden, zuversichtlichen
Blick der grossen Kinderaugen bemerkt
er gar nicht in dem Rausch seines Glückes.
Minna aber erwartet, still und mit
felsenfester Zuversicht das Unerhörte,
Unbekannte, Unglaubliche — das Ideal
— die Liebe.
Herr Brenneke, dem ihre Eltern vor
Jahr und Tag mit festem, gutem Ver-
trauen ihre einzige gaben, ist natürlich
ein Ehrenmann. Nie hat Minna daran
gezweifelt. Aber sie, das siebzehnjährige
Kind, liebte den reifen, praktischen, lebens-
klugen Mann nicht. Es erschien ihr schon
so über alle Massen prosaisch, dass er
Margarin-Fabrikant war.
Alle Freundinnen der jungen Braut
waren mit ihr einig in der Überzeugung,
dass die Liebe, die beseligende, wahre,
poetisch-verklärte Liebe nur durch einen
Maler, Dichter, Lieutenant oder sonst
eine hochinteressante Persönlichkeit er-
weckt werden könne.
Lächelnd vernahm Herr Brenneke den
besorgten Bericht, den seine Schwieger-
mutter ihm über diese Gefühle ihrer
Tochter erstattete.
Er war sehr glücklich, dass Minna
ihn nahm und gewährte ihr auch die
Freiheit, andere Männer, namentlich ihren
Jugendfreund Gustav Wendtland ganz un-
befangen, ganz im Alltagsleben näher
kennen zu lernen. Er meinte, sie würde
sich auf diese Weise am allerschnellsten
davon überzeugen, dass er so liebenswert
sei wie irgend ein anderer.
Es wurde ein Kindchen geboren. Minna
liebte es leidenschaftlicher, wie sie je als
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