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von Schlafkammern der Geistlichen und
Laien erschöpft, wie er etwa von Luther bis
ungefähr zum westfälischen Frieden den
deutschen Geschmack beherrschte, bereits
von der schlesischen Vorläuferin unserer
grossen Literatur verdrängt worden ist.
Wie erstaunlich ist also das Wagnis eines
modernen Dichters, den man zu den sym-
bolischen zählt — womit man in Deutsch-
land die Geschmackvollen meint — einen
so anrüchigen Stoff aus den Culturtrümmern
des 30jährigen Krieges hervorzuwühlen.
Es braucht kaum gesagt zu werden, dass
er zunächst seinem Helden den excremen-
tiellen Charakter und damit auch alle
Hoffnung auf die so beliebte »altdeutsche«
Sittenbildlichkeit benahm. Der unge-
brochene Schwärmer für Ahnenrohheit
wird vielleicht von einer weichlichen Ab-
schwächung einer derben und teutonischen
Volksfigur sprechen. Der Dichter hat den
Stoff so durchaus umgestaltet, dass sogar
die Frage müssig wird, ob der Eulen-
spiegeltypus im deutschen Nationalbewusst-
sein noch lebendig ist. In unserer hessischen
Heimat ist es dem Volk noch bekannt,
dass dieser grausame Spassmacher seine
Grossmutter mit der Mistgabel kitzelte,
dass er lachte, wenn er bergauf gieng,
indem er sich auf den Abstieg freute,
während er aus dem entgegengesetzten
Grunde weinte, wenn er niederstieg.
Diese beiden Züge des vernichtenden
Spottes gegen den Schwachen oder Trägen,
der nicht mit kann im brausenden Zuge
des Lebens, sowie der perversen Logik
des zu wörtlich Nehmens der Worte, auf
welche die Menschen eingeschworen sind
und dadurch der Umkehrung ihres Sinnes,
hat Fuchs in sein Charakterbild aufge-
nommen. Aber dieser Held wird mit seinen
ewigen Scherzen und Neckereien zum
alles bewegenden Erreger des glühendsten
Werdens:
Eulenspiegel.
»Hier ist mein Element,
Wo Blut und Geist noch unbarmherzig brennt!
Pfui über all das zahme Einerlei!
Vergebens rührt man in dem schalen Brei,
Doch am Stahle wirkt der Feuerstein:
Funken heraus! Sonst schläft die Menschheit
ein!«
Er ist das Gegenspiel des bleichen
Dänenprinzen, dem die erdrückende Auf-
gabe ward, mit schwachem Arm die Welt
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in die Fugen zu bringen. Eulenspiegel
findet alles nur zu wohl gefügt, die Liebe
in Unbewusstheit gefesselt, die Macht in
todter Form erstarrt, das Handeln von
scheuem Brüten gehemmt.
Eulenspiegel.
»Erst war es still,
Jetzt bin ich da! Jetzt klopf ich an! Der Fels
klingt hohl;
Ich steche den Stein: Ein Feuer spritzt,
Ein Quell erbraust, und was da träge sitzt,
Läuft und dürstet, schöpft und hat zu thun,
Zankt und nützt den Quell, um besser dann
zu ruh’n.
Schon bin ich fort, und keiner weiss, wer ihn
geschüttelt,
Ich bin ein Falke, der im Äther rüttelt
Und dann unfehlbar stösst.«
Er rüttelt an den Pfeilern der Sittlich-
keit um zum Schaffen zu erwecken. Denn
er ist
»Der Hort des unverfälschten Lebens«
und darum ehrt er noch lieber den Zerstörer
— wie aus der Achtung vor seinem
Gegenspieler Rother erhellt — als den
Lauen und Trägen.
Eulenspiegel.
»Dass ich nicht alle trägen Gesellen
Von den Bänken konnte schnellen,
Dass ich nicht mit Hagel und Blitz
Zerstob jeden nutzlosen, feisten Besitz,
Nicht alle verrieth, die sich feige vergruben,
Und Fackeln warf in die dunkelsten Stuben,
Nicht alle neckte,
Die von Salbung triefen,
Nicht alle weckte,
Die das Leben, das Leben verschliefen,
Und alle befreite, die nach Schaffen riefen:
Das ist mir leid!«
Wo er nahet, schafft er Erwachen,
Kampf und Sieg; sein Lied berückt, sein
Auge entzündet, sein Arm befreit. Damit
ist sein Werk gethan. Mögen die Blüten,
die er unter den Segen des Lebens gerückt,
allein zur Frucht werden. Ihm ist nicht
gegeben, zu verweilen.
»Eulenspiegel wandert durch die Welt.«
So kommt er auf die Burg des ge-
ächteten Rother, der längst für todt gilt.
Auch dieser
»That, wie ihm gefiel, ihn schreckte nichts«
wie Eulenspiegel; doch dessen Thun ist
Wecken, sein Zerstören Schaffen. Er gibt,
gibt sich selbst. Er will nichts für sich,
nicht einmal die Anerkennung, noch die
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