|
Und jetzt fandest Du den Adeligen
in der Käthnerhütte, während der Be-
diente in das königliche Lustschloss, den
Herrenhof und den Stadtgarten einge-
brochen ist.
Aber dann bekamst Du ein Geschäft
für die Stadt! Du giengst beklommen
durch die engen Strassen, stolz in dem
Bewusstsein, der moderne Geist zu sein,
gerade darum weil Du die Stadt nicht
leiden konntest, dies Überbleibsel aus der
rohen Kindheit der Civilisation, als das
Stadthaus noch eine Festung und die
Strasse noch ein Laufgraben war. Du
fühltest mit Stolz Deine aufgeklärte Be-
klemmung und begannst an Deiner Alt-
modischkeit und Deinem herannahenden
Alter zu zweifeln; Du sahst auf die be-
wunderte Herrlichkeit überlegen herab,
ebenso überlegen, wie Du auf die nun-
mehr unnöthigen Spitzbogengewölbe und
die mythologischen Altarzierate in der
Stadtkirche sahst! So kamst Du auf die
grosse Strasse, die zum Markt des Königs
führt. Und wenn Dein Auge von den
Juwelen, die Du niemals bekommen, und
von den feinen Kleidern, die Du niemals
tragen kannst, angeekelt worden ist, bleibst
Du stehen, um vor der belgischen Spiegel-
scheibe des Blumenhändlers auszuruhen.
Und Du lächelst, gut wie ein Kind, das
seinen Willen bekommen hat, boshaft wie
ein Alter, der Ursache erhält, mit seinem
»was sagte ich« zu triumphieren! Du
lächelst in Deinen Bart, als Du siehst,
wie der Blumenhändler des Königs in
seinem belgischen Fenster die Pelargonien
Deiner Jugend ausgestellt hat, mit ihren
weissen und purpurrothen Schmetterlingen,
und ein Placat hat drucken lassen mit
den Versalien: Nouveautés!
Siehst Du, alter Junge, dass Du nicht
altmodisch geworden warst, als Du die
Blumen Deiner Jugend liebtest, siehst Du,
dass Du der Allermodernste warst, ohne
es zu wissen, ohne es zu wagen!
Und als Du aus den Strassen heraus-
giengst und durch das Villen- und Arbeiter-
viertel spaziertest, wo es grün wuchs und
die Strassen Gärten waren, da erröthetest
Du nicht über Deinen, für altväterisch
angesehenen Unwillen gegen die Stadt,
da Fortschrittsmänner, Grosshändler und
Arbeiter sie selbst desavouiert hatten!
|
Und Dich ultramodern fühlend, setztest
Du Dich in den Zug und fuhrst hinaus
zu den Stockrosen Deiner Jugend, bei
denen Du nun mit gutem Gewissen sitzen
konntest, um sie zu bewundern und
Märchenbücher mit ihnen zu spielen!
Und jetzt ist Dein Muth so gestärkt,
dass Du von dem Pessimismus in der
modernen Gartenkunst böse zu schreiben
wagst; und Du bist noch dazu so dreist
Deine Litanei gegen das Moderne mit den
alten, ehrenwerten, verdächtigten Worten
zu beginnen: In meiner Jugend!
In meiner Jugend — das ist vor
dreissig Jahren — hatte man im Frühling
nicht so viele Arten Blumen in seinem
Garten wie jetzt. Da stand um die Oster-
zeit das kleine Schneeglöckchen im Haufen
auf ungegrabenen Rabatten, zuweilen im
Schneetreiben, zuweilen auf der schwarzen
Erde. Dann kamen die Tulpen in drei
vollen Farben, scharlachroth mit feinen
gelben Adern an den Rändern, citronen-
gelb mit ähnlichen rothen Zeichnungen
und lilienweiss. Das waren die pracht-
vollen, sonnengesättigten Auswanderer des
Morgenlandes; und so fixiert waren sie in den
Farben, dass die Zwiebeln zur freiwilligen
Fortpflanzung den Winter über in der
Erde zurückgelassen werden konnten. Es
waren volle starke Töne, die ausgezeichnet
decorierten, während die Rabatte noch
unordentlich mit den emporstehenden
grünkramgleichenden Blättern der Päonien
und Kaiserkronen dalag. Es waren ge-
sättigte, starke Farben, wie in einem
türkischen Teppich, aber weder abstossend
noch roh, denn das fleischige, saftge-
füllte Kelchblatt der Lilienpflanze liess
einen Theil Licht durch und sog einen
Theil ein, so wie Alabaster und Marmor;
und die Blüten erschienen aus weiter
Ferne wie Transparente gegen die Sonne.
Als ich zwanzig Jahre später meinen
Kohl pflanzte, wollte ich auch Tulpen
haben, und ich bat den Samenhändler be-
sonders nur einfarbige zu senden.
Dann setzte ich meine Zwiebeln auf
einen Bergfelsen, auf den ich Erde in
einer Badewanne getragen hatte; dann
grub ich, reinigte und begoss. Die grau-
grünen Eselsohren steckten bald heraus,
|