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die Gesetze zu zeigen, weit mehr noch
mit der Kunst aller Menschen, die Ihr haupt-
sächlich zu lernen hierhergekommen seid,
mit der Sprache, verhält es sich so. Die
Hauptfehler und Laster der Civilisation
und Bildung sind auf die irrige Annahme
zurückzuführen, dass edle Ausdrucksweise
ein erlernbarer Kunstkniff der Grammatik
und Betonung sei, anstatt einfach der
sorgfältige Ausdruck eines richtigen Ge-
dankens. Alle guten Eigenschaften der
Sprache sind in ihrer Wurzel moralisch;
Deutlichkeit, wenn der Sprecher wahrhaftig
und offen ist; Klarheit, wenn er wohl-
wollend und mit dem Wunsche, verstanden
zu werden, spricht; Eindringlichkeit, wenn
er ernst ist; Anmuth, wenn er den Sinn
für Rhythmus und Ordnung besitzt. Es
gibt keine anderen Tugenden der Sprache,
als diese, welche durch irgend eine Kunst
zu erlangen wären; aber ich möchte hier
einen Augenblick verweilen bei der Wich-
tigkeit einer derselben. Die Sprache, sagte
ich, ist nur klar, wenn sie wohlwollend
ist. Man vermag in Wirklichkeit einen
Mann nur dann ganz zu begreifen, wenn
man sein Temperament versteht. Ebenso
bleibt unsere Ausdrucksweise ihm eine
fremde Sprache, wenn er unsere Natur
nicht begreift. Und das ist es, was die
Kunst der Sprache ausmacht, wenn wir
unter den vielen eine hervorheben sollen,
welche als vornehmstes Werkzeug eines
Culturmenschen gelten kann. Die Bedeutung
eines Wortes gründlich zu verstehen, das
heisst das Wesen des Geistes erfassen, der es
geprägt hat. Das Geheimnis der Sprache ist
das Geheimnis des Mitempfindens und ihr
höchster und beglückendster Zauber ist nur
für die am feinsten angelegten Naturen er-
reichbar. Die Gesetze der Sprachschönheit
sind begründet worden durch die aufrichtige
und gütige Sprache. Aus den Gesetzen,
welche durch Natürlichkeit bestimmt wurden,
wurde später die falsche, scheinbar form-
schöne Sprache construiert; aber jede der-
artige Ausdrucksform, sei es in der Poetik
oder unmittelbaren Rede, ist nicht bloss ohne
dauernde Kraft, sondern zerstört selber die
Grundprincipien, die sie sich rechtloser
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Weise angeeignet hat. So lange unsere
Worte nur aus Überzeugungstreue hervor-
quellen, so lange kann die Sprache leben
und sich veredeln; in dem Augenblick,
wo sie in ein Schema gezwängt und ge-
modelt wird, verflacht und zerfällt sie. Diese
Wahrheit würde längst schon Allgemein-
gut geworden sein, wäre nicht in Zeiten
vorgeschrittener akademischer Kenntnisse
stets eine starke Neigung vorhanden ge-
wesen, die Ursprünglichkeit und ernste
Aufrichtigkeit der ersten Meister und Be-
gründer einer Sprache zu bezweifeln. Wer
in der Manier eines älteren Autors leicht
und anmuthig zu schreiben gelernt hat,
ist geneigt, zu glauben, dass sein Vorbild
ebenfalls in der Manier eines anderen ge-
schrieben habe! Ein richtiger und edler
Stil ist aber nie aus einem unaufrichtigen
Herzen hervorgegangen.*
Kein Schriftsteller ist lesenswert, um
unsern Stil auszubilden, der nicht wirklich
meint, was er sagt; nur von einem solchen
Menschen kann jemals ein wahrhaft grosser
Stil geschaffen werden. Erkenne den Neu-
schöpfer einer bedeutenden Art, zu schreiben,
und Du hast zugleich einen Verkünder von
tiefen Wahrheiten und echten Leiden-
schaften gefunden. Deine ganze Methode,
zu lesen, wird auf diese Weise geschärft
werden; denn, da Du wirklich überzeugt
bist, dass Dein Autor meint, was er gesagt
hat, so wirst Du umsomehr bedacht sein,
zu erfassen und zu würdigen, was er Dir
sagen will.
Von noch grösserer Wichtigkeit ist es,
zu wissen, dass jede Schönheit, welche
in der Sprache eines Volkes zum Ausdruck
kommt, bedeutungsvoll und bezeichnend für
die innersten Gesetze seiner Wesenheit
ist. Wenn das Geistesleben eines Volkes
mannhaft und streng ist; sein Verkehr
und gemeinsames Wirken ernst, höflich
und auf würdige Ziele gerichtet; seine
Thatkraft in Gerechtigkeit geübt, so wird
seine Sprache auch gross sein. Es ist
daher ebensowenig möglich — achten wir
auf diese unausbleibliche Rückwirkung! —
dass eine Sprache nobel sein kann, deren
Worte nicht ebenso vielen Trompetenstössen
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