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augen in die Runde schaun, kein Mensch,
kein Thier, kein Gott kann ihnen Böses
thun, denn unverletzlich sind sie in ihrer
nachtwandlerischen Sicherheit — — und
geht es an ihr Leben, dann stimmen sie
ihr Hollunderpfeiflein und scheuchen leicht-
füssigen Schritts selbst Tod und Satanas
von hinnen.«
Ein Waldbruder ist Hans Schwaiger.
Doch dieser Waldbruder ward in der
Zeiten Läufte zum Wallbruder wie Sim-
plicissimus. Man lese das bei Grimmels-
hausen nach:
» Ach, sagte ich zu mir selbst, Sim-
plici, was thust Du? Wer allein ist, wann der-
selbe fällt, wer wird ihm wieder aufhelfen?
Ist’s nicht besser, Du dienest Deinen Neben-
menschen und sie Dir hingegen hinwiederum,
als dass Du hier ohn’ alle Leutseligkeit in der
Einsame sitzest wie ein Nachteul’? Wie wirst
Du den Winter ausdauern können, wann dies
Gebirg mit Schnee bedeckt ist? Zwar, Deine
Nachbarn ehren Dich jetzunder wie ein Ora-
cul, aber — — — Mit solchen und derglei-
chen Anfechtungen und Gedanken wurde ich
gequält, bis ich mich entschloss, aus einem
Wald- ein Wallbruder zu werden.«
So sieht man jetzt Hans Schwaiger
an einzelnen Flecken Europas auftauchen,
die Holländer und Italiener grüssen, dann
aber flugs wieder, wie ein Wiesel, in
seines Urwalds Tiefen verschwinden. Wie
aber war’s, bevor ein Stern ihm gütig
die Weihen des Waldbruders gespendet?
Sein kostbarlicher Schreibebrief, der die-
sen Zeilen vorangeht, lehrt uns die Freu-
den seiner Jugend. Es revoluzzert, scheint
es, jetzt noch in seinen Knochen, denkt
er — ein Mann — der Unbill ferner
Tage. Mit einem Stift, dem füglich nach
je zwölf Worten in Ängsten die Spitze
gebrochen, spiesst er all seinen Groll auf
ein Grossfolioblatt, das schon von frem-
der Hand beschrieben war, zieht seine
Bleizeilen quer über die Tinte der alten
Schrift und sendet uns das Palimpsest,
das in jeder Letter ein Jan Schwaiger
ist. Sein Unglück war, wie das so vieler
Künstler, dass er von ehrlichen Leuten
gezeugt worden. So kroch er, jeder Zoll
ein Rübezahl, befehlsweise von einer
Schule in die andere und stieg allendlich
die Stufen zur Akademie hinan. Ach, er
ward da nicht hinausgeworfen. Immerhin
lief er freiwillig davon und stellte — vi
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vallera! — sein’ Sach’ auf Nichts, auf
gar Nichts. Rasch kam er so auf Um-
wegen in einen dichten Urwald, allwo er
heut noch haust und ohn’ Ermüden, jahr-
aus, jahrein die stolze Welt geboren, die
jetzt bei Miethke die Kenner grüsst.
Gar rührend ist es, von Spähern zu
hören, wie emsiglich der liebe Wald-
bruder nächst seiner Malkunst, der er in
Treuen dient, so Jahr wie Tag ein heiss
Bemühen um Bücherweisheit entwickelt.
In mannshohen Scharteken liest er, die
über den Pips der Vögel handeln. Auch
Reimchroniken, Mären, Allotrien, die
schon im XVI. Jahrhundert auf den Jahr-
märkten lagen, liebt er über die Maassen.
Waldkräuter liegen gebündelt um ihn her,
Heiltränklein in den Wurzeln; Alräun-
chen, dünkt ihm, haben sie gepflückt.
Verwitterte Schränke rings an den Holz-
wänden des Blockhauses verwahren al-
chymistisches Tiegelwerk und allerlei
krauses Glasgeräth zur Farbenbereitung.
Karpathennebel steigen durch die Ritzen
der Hütte, grau wie das Haar der Wald-
frau, und bringen Träume, Träume,
Träume Hinter der Hütte
glüht ein Mohnfeld. Baumkrüppel säumen
den Ausblick und schneiden Fratzen in
die Dämmerung. Und alles ist morsch,
feucht, splitterig, in Phosphorglanz und
Fäule. Er aber dampft, zecht, schuftet,
schaut seinem treuen Weib ins Auge
und philosophiert sonst nur mit Schmugg-
lern, Wilddieben, Wegelagerern. Und
manchmal, nächtlicher Weile, torkelt er
heimwärts durch den Gespensterforst, im
Kopf drei kreisende Mühlräder und Kir-
messpuk, der sich zum Bilde fügt.
Satanisch lachend, stets Falstaffwitze in
der Gurgel: so gab sich der Wald-
bruder, als Hevesi einst ritterlich ihn be-
suchte.
Doch was bedarf es dieser Worte?
Hat nicht Simplicius dieses Leben schon
vor Jahrhunderten gelebt? Wie heisst es
doch in seinen Bekenntnissen?
» Auf meinem Baurenhof hielte ich
mich gar eingezogen; mein grösste Freud’
und Ergetzung war, hinter den Büchern zu
sitzen, die von allerhand Sachen tractierten,
sonderlich solche, die ein grosses Nachsinnens
bedorften. Das, was die Grammatici und Schul-
füchse wissen müssen, war mir bald verleidet
und eben also wurde ich der Arithmeticae
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