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die sie an jene Stelle des Brenta geschickt
hat, wo die schone venetianische Hetäre
Pantea auf dem Schiffe »Bucentoro« den
herrlichen Jüngling zum Sclaven ihrer
Launen gemacht, den die Gradeniga als
erste besessen und geliebt hatte. Durch
die eisernen Gitterstäbe sieht man »den
unendlichen, wonne- und prunkreichen
Garten, eine schwere Masse entfärbter
Blätter, Welker Blüten, überreifer Früchte,
den Garten, der sich zum Brenta mit der
Hingebung eines müden, wohllüstigen Ge-
schöpfes beugt, das, über einen Spiegel
geneigt, darin den letzten Glanz seiner
verfallenden Schönheit schauen will. Der
Purpur und das Safrangelb des Herbstes
schimmern ganz ungewöhnlich unter den
schräg herabfallenden Sonnenstrahlen; die
Schatten erscheinen fahl wie jene der
Höhlen, in denen viel Gold aufgehäuft ist.
Unendliche, unbewegliche und strahlende
Wolken, die Haufen reinen Bernsteins
gleichen, hängen über den Bogengängen
der Hagebuchen, den Kuppeln der Föhren,
den Pyramiden der Cypressen. In diesem
Schweigen scheint allüberall das angstvolle
Gefühl der Erwartung zu schweben«.
Aber weder Lucretia, noch Ordella,
Orseola, Barbara, Catharina sind in Sicht.
Die Zofe Pentella jedoch verkündet von
der hohen Loggia aus: »Ein Schiff auf
dem Brenta mit gehissten Wimpeln und
vielen Musikern kommt heran — — —
Aber nein, es ist nicht dieses. Hört Ihre
Durchlaucht die Töne? — — — Noch
ein Schiff! Noch eines! Und wieder eines!
Vier, fünf, sechs Schiffe, alle mit gehissten
Wimpeln und vielen Musikern — — —
Sie kommen den Strom herab. Der ganze
Fluss ist golden geworden. Das Fest be-
ginnt. Ein Schiff hat lauter rothe Wimpel;
es sind tausend glühende Flammen — —«
Die Gradeniga bedeckt bei dieser An-
kündigung tödliche Blässe; schon zu lange
hat sie die Zaubersclavin erwartet, die die
Verzauberung vollführen, die Pantea tödten
soll! Sie verzehrt sich in der Angst der
Erwartung, und es scheint ihr, sie habe
kein anderes Blut, als das, das sich zu
ihren Thränen mischt. Sie hat zu lange
gewartet! Und nun kämpft und ver-
schwimmt alles in ihrer Seele wie auf
einer Feuerstatt; alles ist von einer einzigen
Farbe erhellt, wie die Dinge in einem
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Glühofen. Und das Delirium ist ein furcht-
bares: der Hass, die Liebe und Eifer-
sucht züngeln ineinander wie die Flammen
eines einzigen Feuers. Sie weiss, dass
Pantea ihn auf ihrem Schiffe gefangen
hält und ihn unter ihren Kissen verbirgt;
und alle Erinnerungen fluten nun wild in
ihrem Herzen zusammen wie auf plötz-
liches Geheiss; sie gedenkt all der winzig-
sten Einzelheiten jener Leidenschaft, all
der Süssigkeiten und Wonnen, die ihr
durch jene Jugend geworden wie durch
eine köstliche Frucht, deren Schatz an
heimlicher Frische sie sachte gehoben, so
wie man eine Mandel bis auf den weissen
Kern schält. »Erinnerst Du Dich? Unsere
Lippen waren wie eine einzige Frucht,
die der Tod auf unsere eisigen Zähne
presste; und im Dunkel flammte es plötz-
lich auf in unseren Pupillen, als ob unsere
Wimpern und unsere Haare sich an der
Glut unserer fiebernden Schläfen entzündet
hätten.« Sie gedenkt auch der ersten Ver-
zauberung der Sclavin, der sie einen Zahn
des alten Dogen und einen Zipfel seines
Mantels geliefert hatte, damit das zauber-
kräftige Wachsbild geformt werden könne.
»Und der Alte wurde täglich knöcherner
und bleicher und fieberhafter. Bei den
Ceremonien konnte er nicht mehr die Last
seines Brocatgewandes ertragen. Ach, er
verzehrte sich vollständig, alle seine Adern
leerten sich und niemand wusste, wohin
sein Blut kam. Wenn er sich auf dem
Sessel herumdrehte, war er wie eine Re-
liquie im goldenen Gehäuse. Er sagte
Amen und blickte mich an — — — und
ich sah in seinem vertrockneten Munde
die Wölbung des Zahnfleisches, aus dem
der Zahn gefallen war« — — — Das,
das hatte sie für ihn gethan!
Wie doch, wie war es gekommen,
dass er von anderen Lippen geküsst
werden darf? Welches Verhängnis hatte
den Zauber ihrer Umarmung gebrochen?
Hatte er vielleicht an ihrem Körper das
Brandmal der Jahre entdeckt? — — — Aber
Pentella unterbricht die lange Reihe der
Erinnerungen und Verkündet die Ankunft
der Zauberin, die wie eine Gefangene
auf ein Maulthier gebunden ist. In einem
plötzlichen Freudenausbruch zittert die
traurige Seele der Gradeniga, die jetzt
nichts als ein »kleines Stück« von
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