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um die Mal- und Zeichenliebhaberei seines
Pflegebefohlenen; und als er einmal krank
lag und sich mit ihm nicht abgeben
konnte, sagte er: »Gehen Sie doch zu
Herrn Ahn, der hat viele Bilder, die
Ihnen gefallen werden.« Toorop nahm
ein Skizzenbuch mit und wies es Ahn
vor, der mit Kennerblick alles Gute er-
fasste und alles zu sehen verlangte, was
der Jüngling gemacht hatte. Dies geschah
beiläufig im Jahre 1880. Er stand damals
völlig unter dem Eindrucke Dorés und
Rembrandts, von deren Schöpfungen
er sich mit seinem Wochengelde auf dem
Markte Reproductionen kaufte. Ahn ge-
rieth beim Anblicke der gesammten Ar-
beiten Toorops in helles Entzücken und
zeigte die schweren Mappen verschiedenen
Malern, darunter Sadée, Ter Meulen
und Bakhuizen, die ebenfalls ihre Be-
wunderung enthusiastisch äusserten. Dies
war für Toorops Zukunft entscheidend.
Ahn drang so lebhaft darauf, den jungen
Mann seinen eigenen Weg gehen zu
lassen, dass der Vater und der mit Jans
Beaufsichtigung betraute Herr trotz ihres
Widerwillens nachgeben mussten, und
Toorop nach Amsterdam ziehen durfte,
um an der Reichsakademie zu studieren.
Hier blieb er zwei Jahre, von October
1881 bis October 1883, eine für seine
künstlerische Entwicklung sehr bedeutungs-
volle Zeit. Der so kunstsinnige Director
Allebé rieth ihm vornehmlich an, nach
der Natur zu zeichnen und sodann die
Antike praktisch zu pflegen. Toorop folgte
dieser Anweisung mit Feuereifer und
abends sass er daheim über seinen eigenen
Compositionen. Damals lernte gerade an
der Akademie eine kleine Anzahl junger
Leute, die gegenwärtig eine kräftige Gruppe
in unserer Kunst bilden. So Willem Wit-
sen, Karsen, van der Valk, Wally Moes,
Jan Veth, Derkinderen. Später gesellten
sich zu diesen noch Voerman und Haver-
man hinzu. All diese Jünglinge waren voll
hoher Pläne, Lebenskraft und Leidenschaft.
Toorop stand insbesondere unter dem
Einflusse Victor Hugos und schuf, durch
dessen Werke inspiriert, dramatische
Compositionen, so romantisch bisweilen,
dass Allebé darüber erschrak! Auch ver-
kehrte er viel in der Jodenbuurt, dem
Ghetto, das alle Maler von Rembrandt
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bis Israëls so unwiderstehlich ange-
zogen.
Nach ein paar Jahren solcher Arbeit
gieng Toorop nach Brüssel, wo Portaels,
ein mittelmässiges Talent, den Director-
posten der Akademie bekleidete. Dort
malte er viel nach dem nackten Modell,
im Vereine mit Derkinderen, der ihn nach
Brüssel begleitet hatte, und war bei
den Preis-Concurrenzen wiederholt einer
der ersten im Actzeichnen.
Dies brachte ihm als Prämie grosse
Stücke — Malerleinwand ein, die ihm für
seine Studien höchst willkommen waren,
da er mit wenig Geld auskommen musste
(Toorop bezog drei Jahre hindurch ein
Stipendium des verstorbenen Königs im
Betrage jährlicher 800 Gulden). Während
des zweiten Jahres seines Brüsseler Aufent-
haltes folgte er nicht mehr den Akademie-
cursen, sondern hielt sich, um rüstig und
ganz nach eigenem Sinn arbeiten zu können,
so gut versteckt, dass Portaels ihn nicht
entdecken konnte. Ausgedehnte Besuche
im Museum, namentlich in den herrlichen
Sälen der Gothik, hatten viel Einfluss
auf ihn. Vor allem bewunderte er Quentin
Messys und Memling. Die prächtige
Malweise, die reine Einfalt, die Liebe zum
Sujet, die diese Maler in ihren Werken
zeigen, hatten die beste Einwirkung auf
seine sensitive Natur. So wie sie, fühlte
auch Toorop sich durch den Menschen,
zumal den Menschen aus dem Volke, den
Arbeiter und Landmann, angezogen. So
entstand ein Gemälde »Respect à la Mort«:
Arbeiter, die mit grossen Steinen einen der
neuen Boulevards von Brüssel pflastern
und vor einem vorüberrollenden Leichen-
wagen ehrerbietig ihre Kappen abnehmen.
Unter dem Einflusse der Gothik und vielen
Hörensagens von »Pleinairismus«,
einem Worte, das als Losung gegen jeden
Conventionalismus diente, hatte er ver-
sucht, diesem Bilde den Effect und das
Licht der Farben, wie sie im Freien er-
scheinen, wiederzugeben. Sorgsam hatte
er seine Gestalten nach Modellen im Atelier
gemalt, doch gab er durch Lichtstudien
und einen naiven Hintergrund dem Ganzen
viel von der einfachen Realität jener gothi-
schen Gemälde, die er so sehr bewunderte.
Damals bestand in Brüssel ein Verein
junger Leute »l’Essor«, dem unter anderen
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