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In Katwijk begann nicht allein sein
Suchen nach dem Ausdruck der Farbe
und sein Bemühen, durch coloristische
Contraste verschiedene Stimmungen aus-
zudrücken, wie das die »Junge Generation«
verdeutlicht. Er fieng auch an, durch
unterschiedliche Linienbewegungen Ge-
fühlswerte zu veranschaulichen. So sucht
er z. B. durch stille, sanfte Linien den
Eindruck eines stillen, sanften Abends
(cf. »Abenddämmerung«), durch gejagte
und schreiende Linien die Essenz von
Wind, Regen und Sonne zu geben, oder er
bringt trübe und lachende Linien, und
verschärft dadurch den Ausdruck der
dargestellten Dinge. Auch wendet er diese
Linien, um so das Werk mehr zu seinem
harmonischen Ganzen kommen zu lassen,
als decorative Füllung an, ohne dass der
Gesang der Linien den Ausdruck und die
Stimmung der Gestalten brechen würde,
wie z. B. in seinem bekanntesten Bilde:
»Die drei Bräute«, besonders auch
im »Gesang der Zeiten« und in der
Einbandverzierung zu Ahn-de Jongs »Het
Boek van Verbeelding«, die jedoch als
Zierstück noch nicht rein decorativ in der
Ausführung und mehr figurale Linienzeich-
nung ist. Von so einer Übergangsform ist
auch die Zeichnung »Illusion« (Eigenthum
der Prinzessin Louis Ferdinand von Bayern,
geb. Marie della Paz, Infantin von Spanien).
Im Jahre 1892 fand zu Amsterdam
die erste Gruppenausstellung Hollands
statt. Hier stellte Toorop die »Junge
Generation«, den »Garten der Leiden«
und die »Rôdeurs« aus, die das Interesse
an seinem Talent und seiner Persönlich-
keit sehr festigten. Namentlich wurde
seine »Junge Generation« viel besprochen,
und diese merkwürdige Leinwand, sehr
eigenartig in ihren Farbencontrasten ge-
malt, gab Veranlassung zu den wider-
sprechendsten Auslegungen, während sie in
Wirklichkeit nichts anderes als das Verhält-
nis eines Kindes zu seinerMutter symboli-
siert. Im Jahre 1891 wurde der »Haagsche
Kunstkring« durch Th. de Bock gebildet,
und Toorop liess sich in einer Haager Villa
nieder, um eine Zeit lang seine besten
Kräfte dieser Vereinigung zu widmen.
Zuerst organisierte er hier eine höchst
merkwürdige Ausstellung der Gemälde
Vincent van Goghs, die das grosse Talent
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dieses Malers zur Geltung brachte. Darauf
präsentierte er einzelne »Vingtisten«, unter
denen Theo van Rijsselberghe mit
seinem prächtigen Porträt Emile Verhaerens
besonders auffiel. Doch all diese Ab-
lenkungen hinderten ihn nicht, fast un-
unterbrochen weiter zu arbeiten und so
entstanden allmählich: »O grave where is
thy Victory« (Samml. Hidde Nijland),
»Fatalisme« (Samml. Sara de Swart) und
im Winter von 1892—93 die viel bespro-
chenen »Drei Bräute«, eine Zeichnung,
die Toorop für eine Ausstellung der »XX«
bestimmt hatte, die aber auf Andringen
Jan Veths und Roland-Holsts in die
Ausstellung des »Nederlandsche Etsclub«
(Radiererclub) nach Amsterdam geschickt
wurde, wo sie am Eröffnungstage von
der Firma v. Wisselingh & Co. ange-
kauft wurde und starke Sensation erregte.
Im Jahre 1893 gab es eine sehr voll-
ständige Ausstellung seiner Werke im
»Haagsche Kunstkring« und in Leyden.
In diesem Jahre wurde er auch aufgefordert,
eine gleiche Ausstellung in München
abzuhalten, wo ein eigener kleiner Saal
für ihn eingerichtet wurde. Die Frau des
Malers Hans Bartels übersetzte damals
Commentare zu seinen Werken, die un-
getheiltes Interesse fanden und in Deutsch-
land eine heftige und einflussreiche Be-
wegung entstehen liessen. Selbst zugegen,
wurde Toorop vom Prinzregenten von
Bayern und bald darauf auch von der oben
genannten Prinzessin Louis Ferdinand em-
pfangen. Hier zogen seine Werke u. a. die
besondere Beachtung der Miss Lothrop Dun-
ham auf sich, einer höchst begabten Ameri-
kanerin und Eigenthümerin seiner ersten
Conception von »Çacontala«; sie hatte
die Absicht, in New-York, Boston und
Chicago Vorträge über sein Streben zu
halten.
Ein wenig später entstand die »An-
nonciatie van de nieuwe mystiek«, die,
wie erwähnt, dem Componisten Chausson
gehört und zugleich mit seiner ersten
»Anarchie« (Sammlung Hidde Nijland)
begonnen wurde. Anno 1895 zeichnete
er für ein Gedicht Verhaerens das be-
kannte Blatt »Passeur d’eau«.
Ungefähr in derselben Zeit entstanden:
»De Zaaier« (der Säemann), »Nirwana,«
»Portrait der Miss Pontifex Hall« und die
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