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Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 1, Nr. 12, S. 283

Text

ZILCKEN: JAN TOOROP.

Skizzen für »Parsifal,« die er noch aus-
zuarbeiten gedenkt; ferner ein »Panis An-
gelicus«, Skizzen für »Andromède et Persée«
aus den »Moralités Legendaires« von Jules
Laforgue und viele andere kleine Zeich-
nungen, bestimmt für verschiedene Zwecke
und zum Theil als Unterstützungen an
Armen- und Siedlungsvereine gedacht.

Zu seinen letzten Arbeiten gehört auch
das Hauptwerk »Die Sphinx« (vergl.
Künstlerhaus, Wien!); eine zweite
»Çacontala« (bei den Secessionisten zu
München ausgestellt und ebendaselbst der
Sammlung Khnorr einverleibt); die »Divine
Extase«, eine sehr grosse Kohlenskizze;
der »Tuin (Garten) der Meditatiën«, ein
zweiter »Panis Angelicus«, »Liebe und
Mysterium« (Eigenthum des Dr. Timmer-
man, Gravenhagen) u. s. w.

Nach diesen rein symbolischen Äusse-
rungen liess jedoch Toorop seine Farben-
theilung nicht fahren und malte im
Sommer 1897 Landschaften mit Weiden
und Wasser in Sonnen-Atmosphäre oder
grauem Wetter, darunter die »Weide mit
Wasser bei trüber Luft« (Eigenthümer:
Dyserinck in Haarlem); auch zeichnete
er in den letzten Jahren äusserst sensible
vornehme Porträts in grosser Anzahl.
Eines der ersten dieses Genres war eine
Skizze nach Verlaine (1892). Bald folgten
Kinderporträts, die fast alle mit Bleistift
gezeichnet und durch Fettkreide oder
Wachsfarben in volleres Leben gerückt
sind. Ausstellungen zu Leyden, Utrecht und
Haag liessen diese durchaus eigenartigen
Werke in Holland bekannt werden und
zu höchster Schätzung gelangen.

Aus den letzten Jahren ragen besonders
hervor: die Porträts des Lyrikers Stefan
George und der Gräfin von Limburg-
Stirum zu Oosterbeek, sowie einige Mädchen-
bildnisse, unter denen auch (so in den
»Kinderlijke meditatiën«) sein eigenes
Töchterchen oft wiederkehrt.

Es versteht sich, dass ein so ruhelos
suchender Geist, wie Toorop, alle Processe
anwenden musste, um seine Gedanken und
Aspirationen in allen möglichen Formen
und Stoffen auszudrücken. So hat er neben
allerhand Zeichnungsarten eine einzige
Radierung, ein paar Holzschnitte, einige
Lithographien (u. a. für »De Kroniek«)
gefertigt und ist eben damit beschäftigt,

zu der »Lioba« des Dichters Frederik
van Eeden (in Deutschland bekannt durch
den »Kleinen Johannes«) aus harter Pasta
sehr sensitive Bas-Reliefs zu formen, die
bestimmt sind, in das Holzwerk eines
pretiösen Kästchens eingelassen zu werden.
Neben diesen Techniken, die er eigen-
händig anwendet, macht er auch Gebrauch
von den industriellen Hilfsmitteln, mittelst
deren sich seine Entwürfe leicht verviel-
fältigen lassen. So zeichnete er Affichen,
von denen das elegante Anschlagplacat
für Delfter Salatöl sehr bekannt ist;
Programme, unter denen das für »l’Oeuvre«
gelegentlich der ersten Aufführung von
Otways »Venise Sauvée« Aufmerksamkeit
erregte; Einband-Entwürfe, wie der für das
Buch von Ahn-de Jong, für »Zwarte Vlin-
ders« (»Schwarze Falter«) von Snijder van
Wissenkerke, für ›Jonge-ranken« von Betsy
Juta und jetzt vor kurzem wohl den voll-
endetsten und schönsten für »Metamorphose«
von Louis Couperus. Wahrlich, alle diese
Werke tragen ein äusserst vornehmes Ge-
präge und sind von seltsamst zartem Ge-
schmack. Dass er von diesen auf sich selbst
gestellten Werken zur Ausführung eines
harmonischen Ganzen — wie beispiels-
weise eines Zimmers — übergieng, war
nur natürlich. Kürzlich that er es im
Vereine mit dem Architekten Berlage.
Während dieser die Holzarbeiten, die
gebrannten Felder, die Lampen u. s. w.
nach seinen Zeichnungen anfertigen liess,
hat Toorop drei lebensgrosse Kinderbild-
nisse gemalt, die nicht als selbständige
Gemälde aufgehangen, sondern in die Wand
eingelassen wurden und im Hause des
Herrn Carl Henny in Linie und Farbe
einen Theil des grossen Ganzen bilden.

Ein einzigesmal, wahrscheinlich nicht
das letztemal, hat Toorop das Wort ge-
nommen, um selber seine Kunstauffassung
zu erklären! Verkehrt ward davon Ge-
brauch gemacht, indem man zusammen-
hanglos Bruchstücke seiner Aufzeichnungen
zur Erklärung seiner Bilder heranzog. In
diesen Aufzeichnungen hat Toorop nur
die ästhetisch-ethischen Beziehungen be-
rührt, die zwischen den alten Italienern,
Rembrandt, den Präraphaeliten und Dem
bestehen, was einst hieraus erwachsen
mag.

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 1, Nr. 12, S. 283, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-03-01-12_n0283.html)