Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 15, S. 360

AUS: SIEBEN NÄCHTE AM MYSTISCHEN QUELL.
VON MELCHIOR LECHTER (BERLIN).

DIE WEISSE HAND, GESCHMÜCKT MIT
DEM GRÜNEN OPAL, RUHT WIE ENT-
SEELT AUF SAMMT: DES FARBE IST
GEHEIMNISVOLL UND VIOLETT UND
KRANK, MIT SILBERSTICKEREIN —
URALT — VERZIERT.

TAUCHE UNTER IN DEN MYSTISCHEN BRUNNEN DEINER SEELE, SO
TIEF, BIS ÜBER DIR DER JENSEITIGE TRAUM-HIMMEL ERHABEN SICH
WÖLBT.
HIER ERST ATHMET DEIN INNERES, WAHRES WESEN FREI;
HIER WACHSEN DEINEM GEIST TAUSEND GOLDENE SCHWINGEN;
HIER GLÜHEN UM DICH DER MITTNACHT BLUTROTHE ROSEN;
HIER LODERT VON EWIGEN SCHALEN DER RAUSCH UNENDLICHER
EINSAMKEITEN BETÄUBEND EMPOR!

LAUSCHE ICH DEN FERNEN STIMMEN, DIE IM WELTALL NÄCHTIG
KLINGEN, HOCH VON STERNEN ZU MIR DRINGEN, ANVERTRAUEND:
TIEFSTEN SCHMERZES WELKES DUFTEN, MÜDES WEHEN, GLETSCHER-
SONNENGLEICHES GLÜHEN — UND VERSINKEN IN DES SÜSSEN LEIDES
HERBE GRUFT.