|
haupt unzugänglichen Höhen unternommen
wird? Prüfen wir diese Frage an der Hand
einer der zahlreichen Abhandlungen, die
in diesem Jahre von Mitgliedern der theo-
sophischen Gesellschaft herausgegeben
wurden und die eben das Problem des
Übersinnlichen behandeln, von dem wir
oben sprachen, das Hellsehen. Es ist dies
C. W. Leadbeaters »Clairvoyance«.*
Das Buch unterscheidet sich von allen,
wenigstens mir bekannten Abhandlungen
über diesen verwickelten Gegenstand vor
allen Dingen dadurch, dass sein Verfasser
nicht bloss einzelne Fälle von Hellsehen
durch eigene Beobachtung oder durch
blosses Studium der Literatur kennen
gelernt hat, sondern dass er allem An-
schein nach selbst zu den seltenen Menschen
zählt, denen diese ungewöhnliche Fähig-
keit zur Verfügung steht. Nicht, dass der
Verfasser etwa seine eigenen Erfahrungen
ausführlich schildert. Im Gegentheil, es
findet sich sogar nirgends im ganzen
Buche die leiseste Andeutung, dass der
Verfasser selbst die Gabe des Hellsehens
besitzt, und trotzdem wird der aufmerk-
same Leser, wenn er zwischen den Zeilen
zu lesen versteht, die Überzeugung ge-
winnen, dass, wer dieses schwierige Problem
der menschlichen Psyche so gründlich
beherrscht wie Leadbeater, wer so klar
darüber zu schreiben vermag, dieses Wissen
eigener Erfahrung verdanken muss.
Was Leadbeater bei seinen Lesern
voraussetzt, ist allerdings eine gewisse
Vertrautheit mit den Grundbegriffen der
esoterischen Philosophie Indiens. Diese
lässt sich heutzutage sehr leicht gewinnen.
Wer es freilich vorzieht, alle Angaben
über das Vorhandensein eines Ätherkörpers,
Astralkörpers, Mentalkörpers u. s. w. im
Menschen aus dem einfachen Grunde in
das Gebiet des Aberglaubens zu verweisen,
weil er selbst noch keinen solchen Körper
gesehen hat, für den ist die Leadbeater’sche
Abhandlung nicht geschrieben. Die Theo-
sophie oder der Esoterismus unterscheidet
nun, zum Unterschied von du Prel, scharf
zwischen Ätherkörper und Astralkörper.
Ersterer gehört noch in das Reich des
Physischen, letzterer in das des Astralen.
|
Leadbeater behandelt nun seinen Gegen-
stand nach folgendem Schema:
1. Das einfache Hellsehen, d. h. die
blosse Erschliessung eines Sehvermögens,
das Den, der es besitzt, befähigt, ätherische
und astrale Dinge, die sich in seiner Nähe
befinden, zu sehen, ihm aber verwehrt,
zu sehen, was an räumlich entfernten
Orten vorgeht oder was einer anderen
Zeit, der Vergangenheit oder Zukunft
angehört. Ein derartiges Sehvermögen
kann naturgemäss in sehr verschiedenem
Grade auftreten und wird dann am zu-
verlässigsten sein, wenn der Seher eine
besondere Schulung durchgemacht hat,
von der wir weiter unten reden werden.
2. Das räumliche Hellsehen, d. h. die
Eigenschaft, Ereignisse oder Vorgänge
wahrzunehmen, die dem Seher räumlich
entrückt, d. h. zu weit entfernt sind, um
der gewöhnlichen Beobachtung zugänglich
zu sein, oder die durch dazwischenliegende
Dinge dem physischen Auge unzugänglich
sind. Dieses räumliche Hellsehen kann
ein von dem Seher beabsichtigtes sein;
es kann aber auch eintreten, ohne dass
es der Seher gerade beabsichtigt, und es
kann endlich auch so erfolgen, dass der
Seher zwar etwas räumlich Entferntes
sehen möchte, dabei aber keine Idee
davon hat, was er sehen wird..
3. Das zeitliche Hellsehen, d. h. die
Eigenschaft, Dinge und Ereignisse wahr-
zunehmen, welche dem Seher in zeit-
licher Hinsicht entrückt sind, oder mit
anderen Worten, die Fähigkeit, in die
Vergangenheit oder in die Zukunft zu
schauen.
Es wird nun zunächst nöthig sein,
den Unterschied zwischen ätherischem und
astralem Sehvermögen genau festzustellen.
Über das erstere schreibt Leadbeater: »Die
auffallendste Veränderung, welche die Er-
langung dieser Fähigkeit in der Erschei-
nung unbelebter Dinge mit sich bringt,
ist die, dass die meisten derselben beinahe
transparent werden, was mit der anderen
ätherischen Wellenlänge zusammenhängt,
für die der Mensch alsdann empfänglich
geworden ist. Er kann dann mit der
grössten Leichtigkeit durch eine Mauer
|