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noch kann derselbe durch irgend eine
Behörde oder Autorität verhindert werden.
So z. B. fand ein solcher Weltuntergang
zur Zeit der Einführung des Christenthums
statt, obgleich die römischen Kaiser alles
aufboten, um ihn zu verhindern. Alles,
was der Kaiser Justinian that, um die
Verehrung der alten Götter zu retten, war
umsonst. Vergebens suchte er zu erklären,
dass diese Götter keine Persönlichkeiten
seien, sondern kosmische Intelligenzen,
geistige, herrschende Naturkräfte, und dass
es viel vernünftiger wäre, diese zu ver-
ehren, als sein Heil von einer verstor-
benen Person zu erwarten.* Dem Christen-
thum lag etwas Tieferes zugrunde, als
die Verehrung einer todten Person, und
wenn die Menge auch dieses Geheimnis
nicht begreifen konnte, so ahnte sie doch
dessen Dasein. Diese Ahnung der Gegen-
wart des Erlösers im eigenen Herzen ** war
mächtiger als die Vorstellung der Götter,
und deshalb mussten die Götter weichen.
Vergebens suchte Julian den alten
Glauben wieder aufzufrischen, indem er
dessen Symbole verständlich zu machen
suchte, so wie es heutzutage die »christ-
lichen Esoteriker« mit den Allegorien der
Bibel thun, um dem Glauben des Christen-
thums eine rationelle Grundlage zu geben.
Aber der wahre Glaube hat keine andere
Grundlage als sich selbst; die Erkenntnis
der Wahrheit beruht in nichts anderem
als in sich selbst. Wo die Wahrheit er-
kannt wird, da ist sie; wo keine Erkennt-
nis ist, gibt es auch keinen Beweis, um
sie zu stützen. Beweise gelten nur für
Wahrscheinlichkeiten; sie sind gut für
Dinge, die man nicht selber sehen kann
und nicht erkennt. Das Entschwundene
lässt sich durch Beweise und Erklärungen
nicht mehr zurückbringen. Deshalb konnte
auch Julian mit allen seinen Erklärungen
den entschwundenen Glauben an die Götter
ebensowenig zurückrufen, als den Erklärern
der Bibel möglich sein wird, durch ihre
Argumente den Geist des wahren Christen-
thums dort, wo er entschwunden ist,
wieder zu erwecken.
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Der richtige, geistige Glaube an die
Naturgewalten, »Götter« genannt, war zur
Zeit Julians aus dem Bewusstsein des
Volkes verschwunden, und keine Argu-
mente konnten ihn wiederherstellen. »In
der Götterwelt Plutarchs und Plotins, des
Lobanius und Julian« — sagt Strauss —
»würden Homer und Hesiod ihren Olymp
so wenig wieder erkannt haben, als in
Neanders Christenthum ein Paulus und
Johannes das ihrige, in Schleiermachers
christlichem Glauben ein Luther und Calvin
den ihrigen erkennen würden. Der home-
rische Olymp war eine Versammlung
selbständiger, sich vielfach durchkreuzen-
der und entgegenwirkender Mächte, welche
durch Zeus’ waltende Obmacht nur sehr
unvollkommen zusammengehalten wurden;
statt dessen ist in der julianischen Götter-
welt die strenge Monarchie, und zwar
nach dem Vorbilde des römischen Kaiser-
reiches, mit seiner Provincialverwaltung
durch Proconsuln und Procuratoren, durch-
geführt.« Diese verkommene Götterwelt
musste zugrunde gehen, weil in einer
von auswärtigen himmlischen Autokraten
beherrschten Welt, von deren Gunst alles
abhängig war, keine freie, individuelle
Entwicklung, keine Entfaltung des wahren
Selbstbewusstseins, das den Menschen über
die Götter erhebt, mehr möglich war.
Vergleichen wir nun mit dieser Ge-
schichte des Olymps die Geschichte des
christlichen Himmels, so finden wir eben-
falls, dass die Gründer der christlichen
Kirche aus vom heiligen Geiste der Selbst-
erkenntnis erfüllten und daher frei-
denkenden Menschen bestanden (Lukas
XXIV, 45); aber dieser Geist ist heutzu-
tage nur mehr selten unter den Theologen
und Laien zu finden; die Herzenserkenntnis
ist verschwunden und hat einer Verstandes-
speculation Platz gemacht; von dem der
Menschheit innewohnenden Gottmenschen
ist selten die Rede; dagegen hat der
blinde Autoritätenglaube und mit ihm der
Egoismus überall Überhand genommen,
welcher von einem ferne wohnenden Er-
löser persönliche Vortheile und Gunst-
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