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brennen wollte, die keine Kerze, sondern ein
Auer-Licht der literarischen Kneipenwirt-
schaft und des Theatercoulissenschwindels
ist. Er zieht es vor, in einem fünften Stock,
in einer lärmenden Straße schlecht zu
wohnen, um sieben Uhr aufzustehen, um
die nöthige Zeit zu finden, dann etwas
zu schreiben — denn er hat sich um
zwei Uhr morgens niedergelegt — in den
staubigen Redactionen herumzuspuken,
banalen Menschen die Hände zu schütteln
und zu schwatzen; er zieht es vor, dahin-
zuwelken, magenkrank zu werden, nie
eine Wiese oder einen Wald zu sehen,
mit einem Wort, er beraubt sich lieber
des schönen Naturlebens, als dass er eine
Stadt verließe, in der er sich abarbeitet,
um gerade so viel zu verdienen als er
ausgibt!
Und wieder muss man auf die un-
logische Vertheilung der Honorare zurück-
kommen, denn ihr Köder hält den Schrift-
steller fest. Die Einnahmen einzelner
Autoren sind empörend, weil sie nur ein
falsches Verdienst belohnen. Die einem Stück
oder einem Roman gewidmete Arbeit
verdient nicht das Zusammenscharren
eines Vermögens, welches hinreicht, zwanzig
Familien ihr ganzes Lebenlang zu unter-
halten. Und so nehmen die großen
literarischen Einnahmen eines Vaudeville-
Schreibers, eines affectierten oder elegant-
schlüpfrigen Romanschriftstellers im Ver-
gleich zu der stolzen Armut eines Henry
Becque, eines Mallarmé oder eines
Huysmans, der bis zu seinem fünfund-
vierzigsten Jahre Bureaukrat spielen musste,
eine für den Schriftstellerberuf und seine
Berufsehre beleidigende Bedeutung an.
Das sind harte, aber heilsame und
genaue Wahrheiten über die Ungerechtig-
keiten und Traurigkeiten dieses Standes,
der von denen, die nicht hinter die
Coulissen blicken, so sehr beneidet wird.
Welches ist nun, wenn wir zur mora-
lischen Seite der Frage zurückkehren, die
Haltung und der sociale Platz des eben
geschilderten Schriftstellers? Welche Rolle
spielt er? Das ist schwer zu sagen.
Meistens ist der Schriftsteller ein Zeit-
vertreiber. Er fabriciert gelbe Bände, die
zur Zerstreuung der Frauen und der un-
beschäftigten Leute auf der Reise dienen;
er figuriert in den Salons. Wenn er tiefe
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und schöne Bücher schreibt, so hat er
ein sehr beschränktes Publicum, das ihm
folgt und ihn liebt, ihm aber nicht so
viel gibt, dass er davon leben kann.
Man kann die Schriftsteller zählen, die
sich einer ernsthaften socialen Autorität
rühmen können. Ihre politischen Essais
sind kläglich. Es fehlt ihnen vor allem
an Charakter; man hält sie weder einer
energischen Handlung, noch einer dauer-
haften Initiative für fähig. Aus diesem
Ungewissen Zustande resultiert ein neues
moralisches Leiden. Der Schriftsteller
fühlt, dass er trotz seiner Anstrengungen
unnütz ist; er fühlt sich als das Opfer
einer ungeheuren Untauglichkeit, er wird
entnervt, findet nirgends seinen richtigen
Platz und zweifelt an sich selbst im
Tumult dieser Stadt und dieser Gesell-
schaft, wo jedermann hysterisch erscheint,
und wo der Mensch der Überlegung
und des langsamen Denkens beständig ein
Fremder ist.
Endlich will ich, da ich mir einen Mann
von Talent und Überzeugung zum Studien-
object genommen habe, daran erinnern,
dass er großen Schmerzen ausgesetzt ist,
die von seinem Werke selbst stammen.
Man denkt nicht daran, doch sie sind
vorhanden, und zwar in der Suche nach
dem Stil, in den Schwierigkeiten des
Entwurfes, im allgemeinen Zustande
nervöser Impressionabilität, in welchem
der Schriftsteller durch die literarische
Thätigkeit erhalten wird. Das literarische
Milieu von Paris erhöht und steigert diese
Schwächen noch. Es erzeugt die Hypo-
chondrie, den Pessimismus, den Spleen,
die Bizarrerie der Stimmung, den Neid,
das Misstrauen, die skeptische Herzens-
dürre, die Unzufriedenheit und das Ver-
gessen des zu jeder Production der Schön-
heit erforderlichen Glaubens. Zwischen
einem Leben, dessen Enttäuschungen er
fühlt, und dem inneren Vorwurf, dass er
seine Werke großartiger gestalten könnte,
hin- und herschwankend, ist der Schrift-
steller in den Augenblicken unglücklich,
da er kein Lächeln zur Schau trägt, und
so rangiert er alles in allem unter die
unentschlossenen und an der tyrannischen
Brutalität unserer Gesellschaft krankenden
Menschen.
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