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lung das Centrum erreicht, gibt den phy-
siologischen Ausdruck der Stimmung:
die eigentliche Malerei. Die Farben sind
nur sinnlich wahrnehmbare Ausdrucks-
mittel qualitativ bestimmter Stimmungs-
stufen — Spectral-Empfindungen —,
dem Bewusstsein von vornherein be-
kannt und verständlich. Die Farbe
der Form zu unterwerfen, sie mit
der Linie zu verknüpfen, zeigt gänz-
liches Missverstehen der Bedeutung
dieses Materials; nicht »nach« der
Natur, sondern aus seiner Natur
heraus muss es verwendet werden.
Fernand Khnopff kennt und verwen-
det das Blau, fast nie eine andere
Farbe; diese auf Wissen beruhende
Beschränkung ist aber höchst selten,
ärger als je grassiert der Öl-Wahnsinn,
der barbarische Missbrauch unver-
standener Farben. Dem, der sie kennt,
ist die Farbe mit Betäubungen und
Erregungen der Lebenskraft verbunden;
der Belgier Henry de Groux hat dies
ausgedrückt, indem er seine Empfin-
dungen beim Anblick seiner Palette mit
denen des Hirtinnenmörders Vacher ver-
glich. Es gibt einen dünnen Blutstreifen
auf einem Bilde des Angelico, der wie eine
Berührung der Wirbelsäule wirkt. Die
Kirche verstand dies und verwendete
die Farbe wie Orgel und Weihrauch
Fast alle Bilder, die christliche Themen
behandeln, wirken zeichnerisch, er-
zählend, intellectuell. Jenseits davon
steht die Rembrandt’sche Christus-
Intuition, hell-dunkel; auf der andern
Seite das physiologisch - instinctive, das
Kreuzigungsbild des Matthäus Gruene-
wald etwa, mit der dunkeln Luft,
den gelben Krämpfen, den grünlichen
Anfängen der Verwesung
Es ergibt sich, dass jedes Material
seine Themen in sich trägt, dass
es derjenigen geistigen Sphäre ent-
spricht, welche vom Thema zuerst
beeinflusst wurde. Die Unkenntnis des
dem Material innewohnenden Princips
führt zum Versuch, ihm seinem
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Wesen fremde Themen unterzulegen.
Das Verständnis des Materials entspricht
der Intensität der angeborenen
An-
ziehung
zwischen Thema und
Innenbewusstsein (Neigung). In
der Notwendigkeit des Erstehens des
Themas aus einem ihm verwandten
Material liegt der Wert des Werkes.
Es ist geschmacklos, von einem
Material einen Ausdruck zu fordern,
den es nicht geben kann, und den Stift
mit dem Pinsel zu verwechseln; ge-
schmacklos, Psychisches physiologisch
oder intellectuell darstellen zu wollen;
geschmacklos, ein Material zu wählen,
dem man nicht verwandt ist, und
in Marmor Gips-Empfindungen aus-
zudrücken. Nippes, auch in noch
so übermenschlichen Dimensionen,
werden nie Mozart-Denkmale. In
den gelbblauen, steinernen Flügelstieren
der Assyrer, in den steifen, bemalten
Holzfiguren des Mittelalters liegt jene
Einheitlichkeit der Stimmung mit dem
Material, welche von Epochen angeb-
licher »Kunstblüte«, d. h. technischer
Fortschritte, nie erreicht wurde.
Vergeblich ist es, das Material be-
greifen und beherrschen zu wollen, ohne
das Thema zu besitzen; eine Kunst
ohne geistigen Hintergrund ist eine
Wirkung ohne Ursache. Darum ist es
widersinnig, zu wähnen, aus dem, was
Beethoven die »österreichische Bar-
barey« nannte, könne eine Kunst hervor-
gehen. Ein Boden bedarf gewisser Vor-
bedingungen, am einen »Weihe-
frühling« hervorzubringen, eine Ent-
wicklung kann nicht mit dem Ende be-
ginnen. Intellectuelle Mängel schließen
Künstlerisches nicht aus; ein Neger-Fe-
tisch kann Kunst enthalten. Aber der
Dornstrauch trägt keine Feigen, innere
Culturunfähigkeit kann keine moderne
Kunst gebären; die racenererbte Last
gegengeistiger Dispositionen hindert
die Emancipation des Innenbewusst-
seins.
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