Wiener Rundschau: Jg. 4, Nr. 8, S. 194

O grave where is thy Victory Die Utopie und die Utopisten Die Entstehung des socialen Problems (Toorop, JanGourmont, Remy deFischer, Arnold)

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Wiener Rundschau: Jg. 4, Nr. 8, S. 194

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FISCHER: DIE ENTSTEHUNG DES SOCIALEN PROBLEMS.

dorben hat. Vor ungefähr 15 Jahren
tauchte er in der Literatur auf, zugleich
mit Elemer Bourges, der sich nach einigen
schönen Werken in Schweigen gehüllt
hat, und Paul Margueritte, der zur Be-
rühmtheit gelangt ist. Die Geschicke
stehen nicht immer in geradem Verhältnis
zu den Talenten. »Pantalonie« enthält
ganz außerordentliche Vorzüge, offenbart
eine reiche Phantasie, und doch ist im
ganzen genommen der Grundton des
Buches etwas gewöhnlich. Man braucht
nicht so weit zu gehen, zu sagen — wie
ich es sagen hörte: »Dieses Pantalonien
ist eine Pantaloniade«. Das wäre ungerecht,
denn es handelt sich um einen Roman,
der mehr Philosophie enthält, als man
auf den ersten Blick glauben mag. Trotz-
dem hätte ich demselben etwas mehr
Ernst, etwas mehr Gehalt gewünscht.

Der Typus des socialistischen Utopisten,
des Zauberers Cäsarule, scheint ein Ge-
misch des Sar Peladan und des Herrn
Jaurès; das ist ungemein amüsant. Mit
nur wenig Mühe könnte man für jede
Person dieses sonderbaren Romans den
Namen einer unserer literarischen oder
politischen Berühmtheiten finden, die in
ihrem Gebahren ein wenig oder viel von

dem Charlatan-Geiste zeigen, der diejenigen
charakterisiert, deren Namen ich ange-
deutet habe.

Pantalonie“ ist nicht nur ein Roman,
es ist gleichzeitig eine politische Satire.
Es ist dies ein Genre, das wieder zu
Ehren gebracht zu werden verdient.
Unsere Epoche ist mehr als jede andere
dazu geeignet, und nie wäre uns, um
unsere Narren der Politik, der Diplo-
matie und des Journalismus lachend zu
geißeln (castigat ridendo), ein Aristo-
phanes, ein Jonathan Swift nothwendiger
gewesen.

Neue lesenswerte Bücher:

Romane: „La Jongleuse“ v. Rachilde
(Mercure de France); „La Double Mai-
tresse
“ von Henry de Regnier (Mercure
de France); „Basile et Sophia“ von Paul
Adam
(Ollendorff).

Kritik und Philosophie: „Michel-
Ange à Rome
“ von Pierre de Bouchand
(Lemerre); „De Kant à Nietzsche“ von
Jules de Gauthier (Mercure de France).

Poesie: „La Légende ailée de Wieland
le Forgeron
“ von Fr. Vielé-Griffin (Mer-
cure de France).

DIE ENTSTEHUNG DES SOCIALEN PROBLEMS.
EINE ENTGEGNUNG.
Von ARNOLD FISCHER (Dresden).

Eugen Heinrich Schmitt hat in Nr. 6
dieser Zeitschrift meinem Buche: »Die
Entstehung des socialen Problems« eine
Besprechung gewidmet, die ich umso-
weniger ohne Erwiderung lassen möchte,
als diese zur Klarstellung eines der wich-
tigsten Probleme der großen Wissenschaft
der Zukunft: der Lehre vom mensch-
lichen Gemeinleben beitragen dürfte.
In Übereinstimmung mit der mir bis jetzt
unbekannt gebliebenen 1893 erschienenen
Schrift des Herrn Géza Jász (A fejlödés
törvényei)
war es mir längst klar, dass die
Umbildung der nichtorganischen, wie die

Entwicklung der organischen Natur unter
dem Einfluss der fortschreitenden Abküh-
lung des Erdplaneten vor sich geht. Die
Wärme-Abnahme oder, was in diesem Falle
dasselbe, die Kraftabnahme, ist demnach
das Entwicklungsprincip des Erdplaneten
als Ganzes. Organisches Leben kann erst
in einem bestimmten, relativ fortgeschrit-
tenen Grade der Abkühlung, entstehen, und
da es andererseits eines bestimmten Wärme-
grades bedarf, um bestehen zu können, so
liegt das gesammte Dasein der or-
ganischen Natur zwischen zwei Ab-
kühlungsgrenzen des Erdplaneten.

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 4, Nr. 8, S. 194, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-04-08_n0194.html)