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nothwendigkeit, nicht aber aus stumpfer
Zahmheit; und je größer ihre Hingebung,
je glücklicher fühlt sie sich.
Doch, wie eine geistvolle Frau des
vorigen Jahrhunderts sagte: »In der Liebe
ist das Gegentheil des Wahren auch noch
wahr«. Camille Mauclairs Roman ist also
möglich; und was will man mehr von
einem Roman verlangen, wenn er anderer-
seits, wie »L’Ennemie des rêves« unbe-
steitbare Vorzüge des Stils besitzt und
Interesse einflößt?
PARIS. REMY DE GOURMONT.
Gobineau: Les Religions et les Philo-
sophies dans l’Asie Centrale. Paris, Leroux,
1900. — Ich erlaube mir die Aufmerk-
samkeit der Gebildeten auf die neue Auf-
lage des Gobineau’schen Buches zu lenken,
die vom Professor Schemann in Freiburg
herausgegeben und bevorwortet ist. Schon
der Umstand, dass ein Deutscher die
Werke eines in seinem Vaterlande beinahe
vergessenen großen Mannes ediert, ist
bemerkenswert. Das Buch verdient aber
auch, abgesehen von diesem mehr äußer-
lichen Grund, die Aufmerksamkeit. Es
schildert das geistige Leben der Orientalen,
die der Verfasser durch langjährigen
Aufenthalt im Lande der Sonne gründlich
kennen gelernt hat. Es zeigt, dass die
von uns so verachteten Orientalen Seiten
in ihrem Wesen haben, die uns nicht
allein fremd sind, sondern unsere Be-
wunderung verdienen.
Eine religiöse Bewegung zeigt sich am
Horizont. Sie ist noch allemal aus dem
Osten gekommen. »Tout ce que nous
pensons et toutes les manières dont nous
pensons ont leur origine en Asie« fängt
Gobineau sein Buch an. Er weist aus-
führlich auf eine neue Secte in Persien
hin, die eine große Zukunft zu haben
scheint, deren Entstehung und Geschichte
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er beschreibt. Sie geht auf die uralte
Religion des Landes zurück, welche durch
den Mohammedanismus scheinbar verdrängt
war, nun aber wieder zum Vorschein
kommt, wie nach einem Naturgesetz der
an dem Volke haftende Geist immer wieder
sich erhebt. — Gerade Gobineau hat zu
einer tieferen Auffassung des Völkerlebens
beigetragen, besonders durch sein gran-
dioses Werk über die Ungleichheit der
Menschenrassen,* das ebenfalls von Sche-
mann dem deutschen Publicum in einer
schönen deutschen Ausgabe zugänglich
gemacht wird. Möchten die Bestrebungen
der »Gobineau-Vereinigung« die Beachtung
finden, die sie wünscht und verdient!
A. Ribot: La Réforme de l’ Enseigne-
ment secondaire. Paris, Colin. — In Frank-
reich, wie überall, regt sich ein neues
Leben, um den veralteten Anschauungen
im Unterrichtswesen den Garaus zu
machen. Den Niederschlag davon findet
man in dem vorliegenden Buche, das auf
Veranlassung des Cultusministers und der
von der Deputiertenkammer eingesetzten
Commission herausgegeben worden ist.
Es macht der französischen Nation Ehre,
dass sie auf so wichtigem Gebiete eine
so umfassende Enquête veranstaltet. Vom
17. Jänner bis zum 27. März 1899 hat
die Commission 196 Depositionen gehört,
deren Bericht zwei Bände in 40 zu zwei
Colonnen umfasst. Möchten doch andere
Regierungen dem gegebenen Beispiele
folgen und in diesem Jahre, das den Über-
gang zum neuen Jahrhundert bildet, eine
allgemeine Aussprache aller Gebildeten
über die Reform des Unterrichts ver-
anlassen, die doch schließlich das ganze
Volk angeht, nicht bloß ein paar Bureau-
kraten.
LÜTTICH. HARALD GRAEVELL.
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